Mittwoch, 17. Juli 2019
MÜNCHEN: WOLKEN.HEIM.
elfriede
jelinek schrieb diesen text 1988. „wolken.heim.“ beschäftigt sich mit der
deutschen romantik und damit, wie der deutsche idealismus ungebremst zum
deutschen nationalismus führt. die deutsche seele leidet und kommt nicht zur
ruhe. 1988 liegt 31 jahre zurück, würde man allzu gerne denken, doch dieses
zeitzeugnis ist unvermindert aktuell, jelinek könnte dieses stück auch 2019
geschrieben haben. das macht den abend so beklemmend. regisseur matthias
rippert, so alt wie der text, verteilt diesen im marstall des münchner
residenztheaters auf fünf personen. in einem sterilen grauen und grell
ausgeleuchteten wartesaal arbeiten sich die fünf ausschliesslich grau
gekleideten an jelineks wortmonster ab. ab und zu öffnen sie hinten zwei türen,
dort glüht und lodert es. die hölle? die zukunft? der deutsche wald? angesichts
dieser ungewissheiten versuchen sich die grauen mäuse ihrer identität zu
vergewissern, sehr viel „wir“ lässt da sehr wenig platz für die anderen. „wir
brauchen nur uns.“ oder: „wir haben nicht die einheit ausser uns, wir haben sie
gefunden.“ oder: „der geist ist das bei sich selbst sein. wie wir. wie wir.“
hölderlin und kleist, heidegger und die raf-terroristen haben jelinek material
geliefert – material für all die dummen, all die geifernden, all die
gefährlichen. ob sie einen schuhplattler hinlegen oder blutverschmiert aus dem
krieg heimtorkeln, immer dampft alles von überlegenheit und überheblichkeit.
auch wenn oder gerade weil es, das gelingt der regie und den fünf schauspielern
ganz ausgezeichnet, so beiläufig daherkommt. die dummen biedern sich bei den
geifernden an, die gefährlichen bei den dummen. und ja, es bleibt kein
deutsches phänomen, dieses falsch verstandene wir-gefühl.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen