Mittwoch, 22. Mai 2019
EMMENBRÜCKE: GEDÄCHTNISPALAST
sie
sammelten 200 leere heliomalt-büchsen und dutzende von heiligenbildern und
aufblasbare weltkugeln fürs schwimmbad und ausgestopftes gefieder. sie
sammelten alles, sinnvolles und sinnloses, und türmten es in ihr haus in
küssnacht, vom keller bis unters dach. drei geschwister, aus ärmlichen
verhältnissen, die sich in ein eigenes universum verabschiedet hatten. jetzt
sind sie tot. und ein grosses team um die theaterfrau annette windlin
verfrachtete den wunderlichen kram nach emmenbrücke, in die viscosistadt. in der ehemaligen garnfabrik basteln sie daraus ein gesamtkunstwerk mit dem titel „gedächtnispalast“: 5000 quadratmeter theater, performance, soundexperimente,
kunstinstallationen, gedankensplitter. der besucher wird teils geführt durch
dieses labyrinth der erinnerungen, teils sucht er sich selber seinen weg über
die fünf etagen, lässt sich treiben, irrt umher. es ist ein lustvoller parcours
durch ein raritäten-kabinett. als roten faden hat die autorin martina
clavadetscher rund 60 kurze szenen geschrieben über einen wohlhabenden mann,
eine einfache frau und ihre komplizierte beziehung; man hat sie am ende des
abends kaum alle gesehen, mal blitzt da eine sequenz auf, mal spielen die
profis und laien in einer anderen ecke, mal bekommt man nur noch den schluss
mit, was soll’s? der „gedächtnispalast“ ist ein faszinierendes puzzle und immer
wieder erinnern diese ziemlich schrägen exponate und episoden an eigene erfahrungen,
man sinniert über glück, über heimat, über vergänglichkeit, über suchen und
finden. und man bekommt lust, im eigenen keller zu wühlen. auch wenn der nicht
so zauberhaft eingerichtet und so märchenhaft ausgeleuchtet ist wie der „gedächtnispalast“.
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