die
einzigen warmen worte im ganzen stück kommen von rovo (jeff wilbusch), dem
geistig behinderten jungen, in dem alle nur den dorfdeppen sehen. in seiner
grenzenlosen verzweiflung lehnt er sich im unterholz an abram (katja bürkle),
den alle nur „du schwule drecksau“ nennen. er fühlt sich wohl bei ihm und sagt
ihm das auch. sonst: in jeder ecke dieses dorfes nur missgunst und kleinkrieg,
in jedem gesicht verbitterung, in jeder bemerkung kaltherzigkeit („und ich
dachte, der ganze dreck mit dir sei liebe“, „hätt´ ich dich doch gleich nach
der geburt erwürgt“). martin kušej inszenierte martin sperrs „jagdszenen aus
niederbayern“ vor zwei jahren an den münchner kammerspielen und übernahm sie
jetzt an sein residenztheater. er strich das „nieder“ aus dem stücktitel
(reinöd ist überall) und beginnt die szenenfolge von hinten, wo die
dorfgemeinschaft den aussenseiter abram jagt und erschiesst; in abweichung zum
original, wo er eingesperrt wird. bayern unmittelbar nach dem krieg, jeder
gegen jeden, opfer als täter als opfer. kušej illustriert „das phänomen der
jagbarkeit des menschen“ mit archaischen bildern: eine dunkle bretterwand, eine
weiss getünchte mauer, bedrohliche schlagschatten, viel blut von tieren und
menschen – und dazwischen fallen die einzelnen sätze wie axthiebe. axthiebe.
axthiebe. die metzgerin, der knecht, die dorfhure, die kriegswitwe, alle säen
und ernten rotz und mist und niedertracht. „ich komme aus exakt einem solchen
dorf und kenne das alles zu genau“, wird kušej auf der ersten seite im
programmheft zitiert. es ist ein kosmos, den wir kennen müssen, wenn wir uns
kennen wollen.
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