schenken oder versenken? ai weiwei rät seinem schweizer mentor und
freund gegen ende des dokumentarfilms „the chinese lives of uli sigg“ dringend,
er solle seine gigantische sammlung zeitgenössischer chinesischer kunst besser
in den kleinen see bei seinem schloss versenken statt sie den chinesen als
grundbestand für das künftige hongkonger museum m+ zurückzuschenken. im
mauensee sei sie bedeutend besser aufgehoben. sigg dürfte sich kaum umstimmen
lassen, und bevor die vielen hundert werke richtung osten abreisen, zeigen das
kunstmuseum bern und das zentrum paul klee unter dem titel „chinese whispers“
die fülle und den reichtum dieser sammlung. der titel nimmt das kinderspiel
auf, bei dem eine nachricht von einem zum nächsten weitergeflüstert wird und
sich zunehmend verfälscht – ein sinnbild für die situation chinesischer
künstler in den letzten jahren und jahrzehnten, ihrer arbeit in der heimat und
ihrer rezeption im westen: überlieferung, missverständnisse, verzerrungen. man
staunt stundenlang, wie total unterschiedlich die 150 ausgestellten werke die
lebensbedingungen in china und die einflüsse aus dem westen reflektieren. man
staunt und amüsiert sich, denn da steckt auch ganz viel bitterböser humor drin.
ein höhepunkt dieses „cynical realism“ und „political pop“ ist die installation
von sun yuan und peng yu im klee-zentrum: ein gutes dutzend ehemaliger
staatsmänner, nicht nur chinesen, lebensgross, alle im rollstuhl, mit
gespreizten beinen, zum teil in uniform, inkontinent, eingeknickt, weggedämmert,
gaga – sie rollen im schneckentempo übers feld, ungerührt, kollidieren, rückwärtsgang,
die macht definitiv über dem verfalldatum. ein horror, über den man gerne laut
lachen würde. so viel raum wie hier wird den werken im kunstmuseum auf der
anderen seite der aare nicht gewährt; da wirkt alles beengt, zusammengepfercht.
also vielleicht doch mal ins m+ nach hongkong. ab 2019. dort sorgen herzog und
de meuron für reichlich raum.
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