hitzlsperger!
die deutschen sind mal wieder in hype-laune, „überbordende begeisterung“ über
das coming-out des fussballers, „ein meilenstein der fussballgeschichte“. ach,
herrje. politik und kunst sind diesbezüglich doch schon ein schrittchen weiter.
selbst an der bayerischen staatsoper, nicht eben treffpunkt der
gesellschaftlichen avantgarde, zeigt regisseur krzysztof warlikowski „eugen
onegin“ von tschaikowsky als erotische phantasie des komponisten, der seine
homosexualität verstecken musste: viel nackte männerhaut in der ballszene,
schwule matrosen und schwule cowboys immer wieder, was @rossignol, die
operntwitterin meines vertrauens, vor dem wiederholten besuch einer vorstellung
zu der herzallerliebsten frage veranlasste: „should i call a taxi or better
take a horse to brokeback mountain?“ das duell zwischen onegin und lenski - im
original frauenbedingt - findet nicht im handelsüblichen birkenwäldchen statt,
sondern als bizarrer streit unter freunden auf der bettkante. diese biografisch
unterfutterte perspektive (ausgehend von onegins satz zu tatjana: „die ehe wäre
eine qual für uns beide“) stellt sich keineswegs quer zum romantischen
melodienpanorama, im gegenteil. generalmusikdirektor kirill petrenko bahnt sich
mit dem orchester einen weg tief in die russische seele, brillant pendelnd
zwischen melancholie und verzweiflung, und schafft, was vielen bei tschaikowsky
nicht gelingt: immer emotion, nie kitsch. von den stimmen muss man sich
(leider) nur den tenor edgaras montvidas aus litauen merken, ein lenski mit hellem,
magisch elegantem timbre. - ein kommentar zur zunehmend dramatischen situation
homosexueller in russland ist die inszenierung im übrigen nicht; die première
fand lange vor putins neuster hatz statt.
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