Samstag, 11. Januar 2014

MÜNCHEN: EUGEN ONEGIN ALS SCHWULE PHANTASIE

hitzlsperger! die deutschen sind mal wieder in hype-laune, „überbordende begeisterung“ über das coming-out des fussballers, „ein meilenstein der fussballgeschichte“. ach, herrje. politik und kunst sind diesbezüglich doch schon ein schrittchen weiter. selbst an der bayerischen staatsoper, nicht eben treffpunkt der gesellschaftlichen avantgarde, zeigt regisseur krzysztof warlikowski „eugen onegin“ von tschaikowsky als erotische phantasie des komponisten, der seine homosexualität verstecken musste: viel nackte männerhaut in der ballszene, schwule matrosen und schwule cowboys immer wieder, was @rossignol, die operntwitterin meines vertrauens, vor dem wiederholten besuch einer vorstellung zu der herzallerliebsten frage veranlasste: „should i call a taxi or better take a horse to brokeback mountain?“ das duell zwischen onegin und lenski - im original frauenbedingt - findet nicht im handelsüblichen birkenwäldchen statt, sondern als bizarrer streit unter freunden auf der bettkante. diese biografisch unterfutterte perspektive (ausgehend von onegins satz zu tatjana: „die ehe wäre eine qual für uns beide“) stellt sich keineswegs quer zum romantischen melodienpanorama, im gegenteil. generalmusikdirektor kirill petrenko bahnt sich mit dem orchester einen weg tief in die russische seele, brillant pendelnd zwischen melancholie und verzweiflung, und schafft, was vielen bei tschaikowsky nicht gelingt: immer emotion, nie kitsch. von den stimmen muss man sich (leider) nur den tenor edgaras montvidas aus litauen merken, ein lenski mit hellem, magisch elegantem timbre. - ein kommentar zur zunehmend dramatischen situation homosexueller in russland ist die inszenierung im übrigen nicht; die première fand lange vor putins neuster hatz statt.

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