es ist
ein uralter traum, unsichtbar zu sein. sagt der verbrecher roberto zucco, und
es ist nicht seine einzige sehnsucht. er möchte auch ein strassenköter sein,
der in den abfällen der menschen wühlt. und er möchte den schnee von afrika auf
seiner haut spüren. bernard-marie koltès hat diesen mann, der vater und mutter
und einen polizisten und ein kind umbrachte und sich mit einer flucht durch
halb europa quasi unsichtbar machte, 1989 in seinem letzten theaterstück „roberto
zucco“ zur ikone erhoben. leon pfannenmüller spielt zucco am münchner
volkstheater als harmlosen jungen, der ohne not und ohne leidenschaft mordet;
harmlos und rastlos geht er im riesigen, abgedunkelten bühnenraum auf und ab, ein
endlos suchender. am schluss stürzt er sich vom gefängnisdach „in die sonne“. die
mythische überhöhung zum todesengel hat zwar tradition in der literatur
(genet), doch regisseur milos lolic mag sich koltès` verklärung des verbrechens
nicht einfach anschliessen. sein zugriff hat die züge eines doku-dramas mit
gelegentlich gar parodistischen elementen. indem er die menschen um zucco herum
ununterbrochen wirkliche ikonen aus dem kollektiven gedächtnis und andere
visuelle codes der menschheit an ein baugerüst pinnen lässt, stutzt lolic den
mörder auf ein menschliches mass zurück. dieser zucco ist keine ikone, er
bleibt eine kleine schwarze episode.
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