sei´s
der britische königshof, sei´s ein bauernhof in unseren
tagen – die grossen themen bleiben: macht, würde, liebe, die suche nach dem
sinn. deshalb zeigt intendant johan simons shakespeares „könig lear“ an den
münchner kammerspielen als spiel einer laientruppe auf einem bauernhof; er will
die fragen, die die welt immer umgetrieben haben, in menschlichen proportionen
angehen. eine leicht schiefe, mit grasziegeln belegte holzrondelle von kaum
fünf metern durchmesser ist die ganze welt, ist schloss, ist heide, ist
heerlager. hier spielen sie in gummistiefeln und kleidern vom dachboden,
umwuselt von echten schweinen, diesen grossen düsteren text als herrenbauerndrama:
prall, drastisch und damit sehr nahe an shakespeares idee von volkstheater.
andré jung als tyrann ohne innere grösse, der königreiche verteilt und töchter
enterbt, rennt in roten strumpfhosen durch sein britannien und lässt uns
eindrücklich teilhaben an der zunehmenden verdunstung seines gehirns. „du
hättst nicht alt werden solln, eh du weise wurdst“, seufzt ihm sein narr voller
mitleid zu. dass dieser lear bei der kleinsten unplanmässigkeit aggressiv und
laut wird, nährt die vermutung, er sei womöglich nicht dem wahnsinn verfallen,
sondern leide an einer perfiden form von demenz. „könig lear“ als welttheater
und endspiel – ein grosser abend.
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