Sonntag, 13. Mai 2012

MÜNCHEN: FRISCHER SATANSBRATEN

keine zeile bringt der einst gefeierte dichter walter kranz mehr zu papier. seit jahren. doch dann fällt ihm endlich wieder ein gedicht ein, ein grosses gedicht: „der albatros“. nur schade, dass eben dieses gedicht jahrzehnte zuvor schon stefan george geschrieben hat. in seiner verzweiflung entschliesst sich kranz, stefan george zu werden, ändert das outfit entsprechend, hält sich hübsche jünger, die ihn bejubeln; nur mit dem schwul-sein will´s nicht wirklich klappen. what a story! dieses durch und durch durchgedrehte ding hat sich rainer werner fassbinder ausgedacht und 1976 als „satansbraten“ verfilmt, eine farce über den schnelllebigen kulturbetrieb jener zeit. fake, remake, plagiat – eine steilvorlage für stefan pucher, der den braten jetzt auf die bühne der münchner kammerspiele bringt. er macht das abkupfern zum stilprinzip seiner inszenierung, baut in einem filmset ganze fassbinder-szenen nach. doch jener zeitgeist hat sich verflüchtigt, weshalb dem höllenspektakel hier dringlichkeit und schärfe fehlen. freut man sich halt, die schauspieler aus der obersten liga mal beim klamauk-machen für sich zu haben: sie kochen rührei, sammeln fliegen, killen edelnutten und wolfgang pregler – als kranz immer im zentrum – wuselt als selbstgefälliger wichtel und arroganter widerling durch diese welt und seinen grössenwahn. und ja, übrigens, weil das mit dem gedicht nichts wurde, wirft sich kranz am ende des stücks auf einen roman, einen wirklich grossen roman, der titel lässt da keinen zweifel: „keine feier für den toten hund des führers“.

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