Montag, 16. April 2012

MÜNCHEN: DER RHYTHMUS DES WAHNSINNS

kein medikament auf erden könnte dem leben irgendeinen sinn geben. eine wunde öffnet sich wie ein leichnam und brüllt ihre stinkend verfaulende trauer heraus. schwarzer schnee fällt. das sind sätze von sarah kane. – mit 28 hat sich sarah kane in einer londoner psychiatrie erhängt. davor schrieb sie fünf unheimliche stücke, um der hölle zu entfliehen, die chronik eines angekündigten todes. die letzten drei dieser fünf stücke zeigt johan simons, der intendant der münchner kammerspiele, jetzt - zum triptychon verdichtet - an einem abend. es ist dies eine bebilderung extremer zustände. in „gesäubert“ verlegt simons die gewaltexzesse erwachsener in die welt spielender kinder, die noch keine moral kennen. in „gier“ lässt er zwei frauen und zwei männer zusammenhanglose satzgeburten aus psychotischen episoden als staccato-quartett rezitieren. in „4.48 psychose“ schliesslich grundieren eine pianistin und fünf streicher den rhythmus des wahnsinns, den thomas schmauser in seinem finalen monolog obsessiv anschlägt: alptraum, panik, todesnähe, selbstzerstörung. ein abend voller verzweifelter momente („wem ich nie begegnete, das bin ich“), der über dreieinhalb stunden einen bestürzenden sog entwickelt. über der bühne und im zuschauerraum hängen dutzende von  grossen weissen lampions, im ersten teil luftig-leicht, im zweiten teil bewegt und verregnet, im dritten teil durchnässt auf den boden klatschend. bilder einer zerfetzten seele.

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