Sonntag, 9. Oktober 2011

MÜNCHEN: KOTZEN ÜBERM KESSELRAUM

che spettacolo, che spettacolo! das oberdeck des luxusdampfers neigt sich bedrohlich zur seite, die gigantischen wellen im hintergrund ziehen nach norden, die passagiere taumeln nach süden, allen ist zum kotzen, keinem so sehr wie dem kapitän – es ist die ultimative hochsee-idylle. absolut spektakulär anzusehen, wenn man wohlig im parkett der münchner kammerspiele sitzt, bis dann doch der magen… johan simons, der intendant, hat sich „e la nave va“ vorgenommen, fellinis opernhaftes endspiel: oben die luxus-gesellschaft auf dem weg zur seebestattung einer diva, unten die schwitzenden arbeiter im kesselraum, und schliesslich stossen noch serbische boat people dazu, die diese zweiklassengesellschaft nachhaltig verunsichern. dankbare sache für einen regisseur, so viel futter, so viele figuren, so viele farben. simons erliegt nicht der versuchung, fellini einfach zu imitieren: er verdichtet und ergänzt (mit eugene o’neills „der haarige affe“ zum beispiel), bleibt  aber immer seltsam oberflächlich. das tiefer-tauchen überlässt er dem zuschauer. die absurden situationen und die poetischen bilder, für die simons ein absolutes gespür hat, regen diese individuelle nachbereitung allerdings enorm an. dasselbe gilt für das glanzlicht dieser aufführung, die live-tonspur: verdis requiem als letzte hymne einer gesellschaft ohne perspektiven, gesungen mal von den protagonistinnen, mal von den bühnenarbeitern, mal leicht dissonant, mal voller andacht. das berührt. kirchenmusik als tanz auf dem vulkan.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen