Samstag, 8. Oktober 2011

MÜNCHEN: DAS WEITE LAND

der satz, der dem stück den titel gegeben hat, fällt im original in einer hotelhalle, hier in einer geröllhalde: „wir versuchen wohl ordnung in uns zu schaffen, so gut es geht, aber diese ordnung ist doch nur etwas künstliches. das natürliche ist das chaos. die seele … ist ein weites land.“ sich zwischen riesigen felsbrocken einen weg suchend, mehr wankend als gehend, philosophiert da einer über treue und triebe, über sehnsucht und seitensprung. die unwirtliche berggegend wird zum abbild einer desolaten seelenlandschaft. martin kusej, der neue intendant des residenztheaters (bayerisches staatsschauspiel), ist ein meister einfacher, eingängiger bilder. er überlädt seine inszenierungen nicht damit: drei, vier genügen ihm, auch hier wieder. sie lassen den menschen platz und ihrer sprache, die hier exakt 100 jahre alt und doch überraschend zeitlos ist. arthur schnitzler erzählt in „das weite land“ die geschichte des fabrikanten hofreiter, der fremdgeht, und seiner frau, die nicht und dann doch… das stück ist ein gesellschaftliches panorama mit reichlich personal und mehrfach tödlichem ausgang. mit diesem personal, das mit moralvorstellungen nicht zurecht kommt, sich in affären und verlogenheit verstrickt, inszeniert kusej bis ins detail perfekt gearbeitete tableaux, die offensichtlich von familienaufstellungen inspiriert sind. es sind standbilder mit einem einzigen zweck: das gift in den worten und das gift zwischen den worten voll wirken zu lassen. für die neue erste garde an diesem haus - juliane köhler, tobias moretti, eva mattes – ein grossartiger einstand.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen