Samstag, 1. Oktober 2011

MÜNCHEN: BEI MACBETH IM SLEEPING ROOM

ein rabenschwarzer pavillon steht mitten auf der bühne der münchner kammerspiele. darauf 15 weisse buchstaben: „schlafender raum“. schlafender raum? ein ort für träume und alpträume. hier träumen macbeth und seine lady von macht und mord und massaker. hier träumen sie sich, umgeben von travestie-hexen und sprechenden bäumen, ins delirium. schlafender raum – der ort der ruhe wird zum ort der unruhe. und wie sich in den träumen geschichten und menschen vermengen, so verwischt und verdichtet karin henkel in ihrer inszenierung figuren und fetzen aus shakespeares königsdrama zu einem unheimlichen, bilderstarken spektakel, aussergewöhnlich dicht und aussergewöhnlich nachhaltig. drei schauspielerinnen und zwei schauspieler durchqueren zwei dutzend rollen: mörder werden zu opfern und umgekehrt, frauen werden zu männern und umgekehrt, sieger werden zu verlierern und umgekehrt. dieser fliessende wechsel der optik eröffnet immer neue perspektiven und schafft gezielt zweideutigkeiten: haufenweise neue fragen zu einem alten stoff. der abend ist eine präzise studie zu abraham lincolns bemerkung „willst du den charakter eines menschen erkennen, so gib ihm macht.“ weil mit jana schulz eine frau den macbeth spielt (stark irre und irre stark), wird die macht-thematik permanent mit der gender-thematik verwoben. wie die figuren verliert auch der zuschauer allmählich den boden unter den füssen. es gibt keine gewissheit. nicht im traum und nicht im leben. schlafender raum? von wegen.

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