das
hotel „zur schönen aussicht“ hat die zukunft bereits hinter sich: auf den
fleischkäsefarbenen und lindengrünen spannteppichen in der halle
kuhfladengrosse kaffee-, kotz- oder blutflecken, an den wänden blättert die
farbe, die treppen nach oben aus falschem marmor, das telefon in der kabine
funktioniert nicht mehr und in der conciergeloge hängt eine verstaubte makramee-eule.
es ist ein raum von ausgesuchter hässlichkeit, den bettina meyer in die grosse
schiffbauhalle gebaut hat. der ideale ort für ödön von horváths „zur schönen
aussicht“, diese kalte endzeit-komödie. könnte man meinen. doch die
bombastische geschmacklosigkeit erstickt das stück aus dem jahr 1926 irgendwie, nimmt ihm die
bittere schärfe. den abgehalfterten existenzen, die sich hier im kreis drehen
(michael maertens als hoteldirektor, edmund telgenkämper als kellner, nicolas
rosat als chauffeur, markus scheumann als spirituosenhändler, hans kremer als
baron) schaut man zwar gerne zu, sie zelebrieren ihren physischen, moralischen
und finanziellen ruin ganz vorzüglich, aber so richtig unheimlich wird es nie.
selbst wenn da einer „wir brauchen einen neuen krieg“ in die runde ruft,
verhallt das. und auch die ungeheuerlichkeit, wie die fünf die junge christine,
die aus echter liebe ins hotel zurückkehrt, als hure brandmarken, um drohende
alimentenpflichten abzuwenden, kommt weniger als ungeheuerlichkeit daher und
mehr als müde attacke zerfallender männer. kurz: der schauspielhaus-intendantin
barbara frey ist dieser abgesang auf jegliche vernunft arg brav und
konventionell geraten. möglicherweise geht es ihr wie der baronin im stück: „ich
bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu.“ weshalb
aus dem spitzzüngigen horváth eher wieder ein melancholischer tschechow wurde.
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