mit einer kerze in der hand bahnt sich kim de l´horizon auf der stockfinsteren bühne des zürcher schauspielhauses einen weg von ganz hinten nach vorne an die rampe, sich sorgsam vortastend zwischen am boden liegenden tüchern und grossen steinen, ein ziel vor augen und unsicherheit im nacken, beides. ein suchender mensch im dunkeln. vorne angekommen begrüsst kim das publikum, freut sich, dass so viele da sind, freut sich, dass das viel gelobte und viel gelesene „blutbuch“ in der inszenierung von leonie böhm zum „blutstück“ wird. kim spielt selber mit, authentisch, sympathisch, sofort für sich einnehmend, und zusammen mit zwei schauspielerinnen und zwei schauspielern, die mit köstlichen kostümen und schrägen haarteilen ebenfalls zu genderfluiden wesen umstaffiert wurden. die bühne wird zum spielplatz für erwachsene: sie packen sich einzelne sätze und ganze motive aus dem buch, stürzen sich mal zu fünft unter eine riesendusche, spielen zärtlich mit aufblasbaren riesenpimmeln, improvisieren mit gitarre und interagieren mit dem publikum, um gemeinschaft zu erzeugen und verbündete zu finden auf dem schwierigen weg. denn angst ist immer wieder ein thema, die angst vor sich selbst, vor seinen wurzeln, vor nicht ausgesprochenem und nicht ausgelebtem. wir begleiten diese fünf auf der zeitweise auch schleppenden suche nach ihrer identität, nach dem richtigen körper, der richtigen sprache, der richtigen körpersprache. menschen wie du und ich? ihr thema ist das thema aller: wie wir den wunden der vergangenheit zum trotz wachsen und uns immer wieder verändern können. kim de l´horizons grosses buch ist in sich geschlossen und auch formal ein hammer, der abend im schauspielhaus ist das nicht, er bleibt auch formal eine suche, eine durch und durch unkonventionelle performance, eine kollektive übung zur ermittlung individueller befindlichkeit.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen