Dienstag, 5. März 2024

BASEL: EIN KAFKA-PROJEKT

kafka da, kafka dort, kafka überall. er hat es verdient, denn 100 jahre tot und in seinem werk so zeitlos aktuell sein, das ist nicht jedem gegeben. am theater basel liefert die israelische regisseurin und choreografin saar magal mit vier menschen aus der tanztruppe und zwei aus dem schauspielensemble ein eindringliches kafka-kondensat. auf der bühne im schauspielhaus schubladen, von vorne bis hinten, von oben bis unten, 338 schubladen insgesamt: willkommen in kafkas klaustrophobischem labyrinth. nicht seine texte stehen hier im zentrum, die gibt es auch, sondern die motive und stimmungen, die beklemmung, die ausweglosigkeit. herr k. aus dem „prozess“ und gregor samsa aus der „verwandlung“, der fremde aus dem „schloss“ und der affe aus „bericht an eine akademie“ – alle da, wenig text, viel verzweiflung. die sechs klettern die schubladenwände hoch, kein ausweg, nach hinten, kein ausweg, mal erklingt ein furchtbares sadistisches grinsen, mal suchen sie zwischen ledermänteln und uniformen eine intimität, die es nicht gibt. einmal probieren sie, alle in einer reihe, einbeinig auf knallroten high heels an ein ziel zu gelangen, alles von beeindruckender akrobatik, doch völlig absurd und paranoid. mit stimme, trompete und viel elektronik steuern lena geue und pablo gīw von der seitenbühne suggestiv-wirre klangskulpturen bei, ein teils beängstigender sound, der zum sujet genau so passt wie die nervige redundanz, ohne die der abend auch nicht auskommt. der mensch ist gefangen in einem system, das er je länger je weniger zu durchschauen vermag. kafka sezierte scharf und er liebte die vitalität des theaters, das „kafka-projekt“ in basel würde ihm gefallen: der ganze irrsinn der welt, eingeklemmt zwischen 338 schubladen.

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