nach vielen harten, temporeichen, schnell geschnittenen, formal mutigen bis irritierenden filmen der jungen generation hält jetzt ganz offensichtlich die poesie wieder einzug. das wird bei den „pardi di domani“ (die leoparden von morgen), der newcomer-sektion des filmfestivals von locarno, dieses jahr überraschend deutlich. poesie schon bei den filmtiteln, hier nur drei von vielen: „chant pour la ville enfouie“ ist eine bedächtige hommage an das abgefackelte und eingeebnete flüchtlingscamp von calais. hinter „euridice, euridice“ verbirgt sich eine zartbittere liebesgeschichte zweier frauen, die abrupt endet, als die eine ohne abschied nach griechenland entschwindet. „l’enfant au diamond“ ist eine jugendliche, die verstörten, verzweifelten menschen in einer erstarrten welt die augen für neue möglichkeiten öffnen will. die poesie ist also nicht einfach selbstzweck, sondern eine entscheidung, die themen der zeit so zu verhandeln, dass das publikum nicht durch eine story gejagt, sondern zum mit- und nachdenken eingeladen wird. das erreichen die jungen regisseurinnen und regisseure mit ruhigen bildern, langen einstellungen und immer wieder viel persönlich geprägtem, tagebuchartigem off-text, gesellschaftlich und politisch engagiert, ohne verbittert zu sein. die präsentation der „pardi di domani“ war dieses jahr eine wohltuende insel im locarneser trubel: ort und zeit für reflexion.
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