Sonntag, 22. Mai 2022

BERN: I CAPULETI E I MONTECCHI

mächtig verliebt lümmeln romeo und julia in seiner wg-küche rum. sie schwärmt in herzergreifenden tönen, er wippt vergnügt dazu und schnipselt zucchini für die pastasauce, die junge liebe beflügelt, der weisswein steht bereit, belcanto-schmelz vom feinsten. doch dann entschwindet zuerst julia hinter einem vorhang und schliesslich die ganze küchenzeile in der versenkung - aus der traum! zurück bleiben eine leere, düstere bühne und endloser schmerz bei romeo. mit narkotisierenden melodien beschreibt vincenzo bellini in „i capuleti e i montecchi“ die illusion, die die liebe dieser beiden jungen menschen aus zwei verfeindeten familien von beginn weg ist. und david hermann unterstreicht in seiner inszenierung am theater bern mit faszinierend einfachen bildern den utopischen charakter dieser berühmtesten liebesgeschichte, ihre unmöglichkeit. das junge paar ist umgeben von alten weissen männern, die sich eigenartig bewegen, sinnentleerte dinge tun, ins leere reden und verständnislos den kopf schütteln – die erwachsenenwelt aus sicht junger verliebter. nein, da ist kein durchkommen, diese welt wird bestimmt durch macht, härte, hass, rache. wie die russische mezzosopranistin evgenia asanova als romeo in diesem setting die spannung zwischen sehnsucht und tiefster verzweiflung aufbaut, mit ihrer stimme, mit ihrem spiel: das ist schlicht betörend. und der erst 29jährige dirigent sebastian schwab schlägt dazu zeitweise entfesselte tempi an, als müsste er das berner symphonieorchester wecken, oder den alten bellini, oder beide. es ist ein abend der jugend. das premierenpublikum dankt’s mit begeistertem applaus.

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