Montag, 23. Mai 2022

BALLWIL: TOGGENBURGER PASSION

ballwil liegt nicht im toggenburg, sondern im luzerner seetal. als luzerner mit toggenburger wurzeln wird man aber natürlich hellhörig, wenn der kirchenchor von ballwil die – mir bis anhin nicht bekannte – „toggenburger passion“ von peter roth aufführt: heimatklänge fern der (ur-)heimat sind da also angesagt. das 1983 entstandene werk verbindet einen klassischen, kammermusikalischen duktus mit melancholischen hackbrettklängen und lüpfigen tanzweisen aus den kargen ostschweizer tälern. das wirkt weder aufgesetzt noch schräg, sondern ergibt einen sehr suggestiven klangteppich für die leidensgeschichte jesu, die das werk nicht mit dem tod am kreuz abschliesst, sondern bis zur auferstehung, zum pfingstfeuer weiterführt. dass grosse teile des textes in mundart gesungen werden, schafft einen noch unmittelbareren zugang („oh wörsch du doch lose“ statt „erhöre mich, o herr“). dirigent hannes roesti unterstreicht die spannung, die zwischen leiden und erlösung liegt, indem er die momente der verzweiflung und der angst bewusst langsam angeht, geradezu meditativ auskostet, und als kontrast dann die beiden solisten, das erfrischend junge instrumentalensemble und den chor in der freude, im jubel regelrecht anpeitscht, mit tempo und fortissimo. mit ganz offensichtlicher lust lässt der chor die bedrückenden ereignisse von golgotha in einem fest der zuversicht enden. diese passion ist eine entdeckung – und der herzhafte applaus in der vollen kirche beweist es: sie rührt nicht nur meine toggenburger seele.

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