Donnerstag, 5. März 2020

LUZERN: KALABRIEN

ein klavier, ein buffet, ein kühlschrank, zwei tische, ein altes radio. was zu beginn kreuz und quer auf der bühne des voralpentheaters in luzern rumsteht, schieben die acht frauen und vier männer vom ensemble greyhounds, alles laien über 60, schnell zusammen zu einem gemütlichen wohnzimmer und singen dazu „is muetters stübeli“. wie die möbel werden dann auch die erinnerungen dieser urner familie zurechtgerückt. „kalabrien“, das reto ambauen nach einer erzählung von erwin koch einfühlsam inszeniert, voller tragik und voller poesie, ist eine reise in die vergangenheit, eine spurensuche. francesca hat ihren „däädi“ geliebt und wortlos verstanden, doch warum sieht sie so anders aus als ihre vier geschwister, so viel südlicher? alle spielen mal francesca, ein bestechender einfall, denn die erinnerung hat immer wieder ein anderes gesicht. was lief da vor über 60 jahren? warum verbot die mutter francesca, ins unterdorf zu gehen, wo die italiener wohnen? warum fuhr einer von ihnen dem mädchen immer besonders liebevoll durchs haar? warum hörte die mutter eigentlich die sendung „per i lavoratori italiani in svizzera“? warum redet man darüber höchstens hinter vorgehaltener hand? mit tollem gespür für rhythmus und tempo jagen die 12 laien die erinnerungsfetzen, erzählen sich von früher, fallen sich ins wort, spielen familienszenen nach, schmettern louis armstrong und adriano celentano. mit diesen erinnerungen gelingt ihnen ein ebenso farbenprächtiges wie anrührendes puzzle. nach vielen umwegen findet francesca ihren richtigen vater in girifalco. jetzt hat sie zwei väter. die wahrheit, die erinnerungen oder ihre gespenster – was zählt am meisten? „vola, colomba bianca, vola“, singen sie am schluss, versöhnlich, leicht. flieg, weisse taube, flieg.    

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