Montag, 25. März 2019
HAMBURG: NABUCCO, FERNGESTEUERT
seit
august 2017 steht der russische regisseur kirill serebrennikov wegen zum teil
absurden vorhaltungen unter hausarrest. doch er lässt sich von der willkür der
russischen justiz nicht unterkriegen und inszeniert weiter. im
abwesenheitsverfahren. ein akt des widerstands, den serebrennikov mutig und
konsequent durchzieht: die ideen und konzepte aus moskau werden von hin
und her reisenden assistenten und dramaturgen umgesetzt. nach „hänsel und gretel“
in stuttgart und „così fan tutte“ in zürich kam auf diese ungewöhnliche weise jetzt
in hamburg verdis „nabucco“ auf die bühne, zum ersten mal also ein
hochpolitischer stoff. die geschichte der jüdischen gefangenen in assyrien wird
hier ins heute weitergedacht, schauplatz ist der sitzungssaal des
sicherheitsrats der vereinten nationen, einziges traktandum die weltweite
flüchtlingskrise. die macht- und liebesspiele der protagonisten bilden nur das
gerüst (was auch angesichts der sehr unterschiedlichen qualität im ensemble
kein verlust ist), ins zentrum wird dominant das schicksal der migrantinnen und
migranten gerückt, mit news-videos, demonstrationen, led-schlagzeilen und grossformatigen
porträts. das ist teilweise völlig überladen, aber immer ein klares statement.
ganz in schwarz und frontal ins publikum singt der von paolo carignani
dirigierte chor der staatsoper das „va pensiero“, während sich von allen seiten
echte flüchtlinge mit ihren farbigen kleidern und zerfetzten zelten stumm unter
die sängerinnen und sänger mischen und die freiheitshymne später selber
intonieren – eine version des gefangenenchores, die man so schnell nicht
vergessen wird. und zwischen den akten stimmen hana alkourbah und abed harsony
mit seiner oud klagelieder aus syrien an. verdis themen sind auch serebrennikovs themen, so entsteht eine tiefschürfende und unbequeme meditation über heimat,
freiheit und krieg.
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