Montag, 11. Juni 2018

LUZERN: DER CHOR DURCHSINGT DIE WEISSEN NÄCHTE

die weissen nächte sind naturereignis und volksfest in einem. die meisten mitteleuropäer und -innen kennen sie nur vom hören sagen, diese nächte in den wochen um die sommersonnenwende, wenn es ganz im norden nie dunkel wird und nur noch die wodkalieferanten einer einigermassen geregelten arbeit nachgehen. man erliegt in diesen nächten der leichtigkeit des seins. das vokalensemble „der chor luzern“ reist diesen sommer zum chorfestival europa cantat nach estland und zauberte deshalb jetzt ein stimmungsvolles, faszinierendes programm ins luzerner neubad: „der chor durchsingt die weissen nächte“. unter der akkuraten leitung von daniela portmann erklangen die unterschiedlichsten volks- und kinderlieder aus skandinavien, dem baltikum und der schweiz, rituelle runengesänge, musik gewordene emotionen aus früheren epochen, die ins heute weitergesponnen werden. ein phänomenales stimmenfest, das durch das (frauen-)trio interfolk mit violine, akkordeon und klavier mal unterbrochen mal unterstützt wurde und so immer wieder neu verdeutlichte, wie sehr volksmusik lebt, wenn sie neu arrangiert wird, sorgfältig, witzig, sentimental, schräg, überraschend. da klingen finnischer tango durch und mittelalterliche polyphonie und ferne echos aus den schweizer bergen. man versteht dann wieder, dass die schweizer söldner, sobald sie in der ferne den ranz des vaches sangen, subito an der maladie du pays erkrankten. und man versteht, dass die esten glauben, mit der macht von liedern lasse sich alles beeinflussen, der alltag und die welt; das haben sie mit ihrer singenden revolution 1989 gemeinsam mit den letten und den litauern ja eindrücklich bewiesen. das ist der wahre zauber der weissen nächte.

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