Sonntag, 21. Januar 2018

MÜNCHEN: DAS SCHLANGENEI

es wird zappenduster im cuvilliéstheater, schrille jahrmarktsmusik, die bilder dazu stellen sich im kopf gleich ein, dann mitten in die dunkelheit ein knall: deutschland 1923, hyperinflation. licht, leere bühne, nur vier sich nach hinten verjüngende neonrahmen. in diese maximal abstrakte umgebung inszeniert anne lenk ingmar bergmans filmdrehbuch „das schlangenei“. reduktion auf das wesentliche, die figuren, die sprache – und die sprachlosigkeit. im zentrum stehen die jüdischen brüder abel und max rosenberg und dessen frau manuela, drei erfolgreiche zirkusartisten, denen zunächst wegen einer verletzung, später wegen mysteriösen morden in ihrer umgebung arbeit, geld, lebensinhalt abhanden kommen. nach dem selbstmord von max fällt abel in eine uferlose lethargie. franz pätzold spielt diesen tingeltangelkünstler im brokatbesetzten samtkittel nie zu schmierig, auch im suff einigermassen kontrolliert, aber angesichts der sozialen isolation und der sich rundherum anbahnenden ungeheuerlichkeiten völlig unfähig, aktiv zu werden. er raucht kette und dreht zunehmend nervös die billigen ringe an seinen fingern. auch polizeiinspektor bauer (oliver nägele, erfreulich differenziert), der im allgemeinen chaos eine insel der vernunft bewahren möchte, läuft mehr und mehr ins leere. der albtraum endet nicht. abel kriegt arbeit im institut von hans vergérus und realisiert, dass hier aussortierungsexperimente mit menschen gemacht werden. die nationalsozialistische vernichtungspolitik schleicht sich an („es ist wie ein schlangenei. durch die dünnen häute kann man das fast völlig entwickelte reptil deutlich erkennen“). eine welt am abgrund, pätzolds abel wird immer fiebriger. jahrmarktsmusik. noch schriller. ende.

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