im
hintergrund, hübsch aufgereiht, vier schminktische mit persönlichen utensilien:
der rückzugsort für die vier wanderschauspieler, wenn sie gerade keinen einsatz
haben. im vordergrund eine riesige verspiegelte platte als spielfläche,
aufgehängt an vier drahtseilen und deshalb immer in bewegung: leben im
schwebenden zustand, leben auf unsicherem terrain – das ist es dann auch schon
weitgehend, thomas dannemanns regiekonzept für eugene o´neills „eines langen
tages reise in die nacht“ im münchner cuvilliés-theater. dass die absolut
trostlose geschichte der schauspielerfamilie tyrone (die o´neills eigene familiengeschichte
abbildet) trotzdem packt, ist allein dem höchstklasse-ensemble zu
verdanken, das die ausweglosen abhängigkeiten penetrant und präzis zu einem
immer dichteren netz spinnt: sibylle canonica, die mutter, bemüht sich als
morphium-ruine so hartnäckig wie erfolglos um fassung, oliver nägele, der
vater, ist ein vom geiz zersetzter einstiger starschauspieler, aurel manthei
als älterer sohn mäandert brillant zwischen minderwertigkeitskomplex, zorn und
alkohol, franz pätzold als jüngerer sohn kämpft mit hochpoetischen
kabinettstücken gegen seine eltern und seine tuberkulose an. alles ist krank in
diesem haus, alles ist anfauchen, angiften, anwidern. das dauert zwei stunden
und zehn minuten. bei o´neill dauerte es 65 jahre. „ich gehe aus von der theorie,
dass die vereinigten staaten, anstatt das erfolgreichste land der erde zu sein,
der grösste fehlschlag sind. wir hatten so viele möglichkeiten und haben einen
falschen weg gewählt.“ mit diesem satz o´neills im ohr sieht man sein familienstück
aus dem jahr 1956 auch als parabel auf ein zutiefst verunsichertes und
polarisiertes land im jahr 2017.
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