Mittwoch, 3. Mai 2017

ZERMATT: ROMEO UND JULIA AUF 2600 METERN

es gab mal eine wundervolle einrichtung: das theater. man sass in einem raum, schaute sich eine inszenierung an und freute oder ärgerte sich darüber. das genügte einigen nicht. sie erfanden das freilichttheater, wo man sich nicht über das stück ärgert, sondern weil man friert oder weil die musiker davonrennen, da es ihnen auf die stradivaris pisst. ok, „das grosse welttheater“ vor der barocken fassade des klosters einsiedeln oder „carmen“ in der arena von nîmes, das macht ja inhaltlich noch einigermassen sinn. aber auch das genügte einigen nicht. sie erfanden das landschaftstheater, wo pferde und schauspieler über wiesen jagen – und das publikum hinterher. heute lauert an jedem ufer und hinter jedem wäldchen so ein event. „some like it hot“ am thunersee. hot! am thunersee! verdis „rigoletto“ vor der mülimatt-turnhalle in brugg/windisch (auch das ist, ehrlich, nicht erfunden). „winnetou 1“ in engelberg. und es wird noch absurder: nach dem landschaftstheater folgt jetzt unvermeidlich das hochgebirgstheater. der ultimative höhepunkt wird diesen sommer mit „romeo und julia am gornergrat“ erreicht, 2600 meter, zum schnäppchenpreis von 99 franken. eine kulturelle gratwanderung. dabei gibt’s so eine richtig tüchtige lungenentzündung im flachland viel günstiger, vor der mülimatt-turnhalle in brugg/windisch zum beispiel. aber nein, man wird diesen sommer mit blauen lippen und vor kälte starr auf 2600 metern sitzen – und die alten shakespeare-verse werden von ganz neuer dringlichkeit durchdrungen: „von diesen lippen schied das leben längst; der tod liegt auf ihr, wie ein maienfrost.“ und bestimmt freuen sich dann alle schon auf „die zauberflöte“ in der eigernordwand.

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