Sonntag, 21. Mai 2017

MÜNCHEN: HAMLET IM BLUT, BLUT, BLUT

blutrache, blutrausch, blutbad, blutorgie. der theaterbluttank auf der hinterbühne spielt eine zentrale rolle, kübelweise wird blut verschüttet und verspritzt, es trocknet nie während dieser aufführung. 240 liter kommen zum einsatz, macht bei nur drei schauspielern im schnitt immerhin… - aber lassen wir das. „hamlet“ also. hamlet macht, unmittelbar vor seinem tod, seinen freund horatio zum chronisten seines lebens: „wenn du mich je in deinem herzen trugst, so atme schmerzhaft in der rauen welt, um hamlet zu erzählen.“ übers led-schriftband laufen zu beginn alle rollen, die christopher rüping, hausregisseur der münchner kammerspiele, gestrichen hat: alle. ausser horatio. dafür beschwören gleich drei horatios den toten freund und seine traumatische geschichte. katja bürkle, nils kahnwald (nach einer verletzung im rollstuhl) und walter hess zeigen in einem furiosen marathon, wie es sich anfühlt, heute hamlet zu erinnern und zu spielen und ophelia und claudius und laertes. wie es sich anfühlt als junger mann, der mit seiner welt nicht zurecht kommt, da sie komplex und brutal ist und ihm den vater geraubt hat. im kapuzenpulli dröhnt sich hamlet den kopf mit dem sound der zeit voll, wenn horatio ihn spielt oder das ganze horatio-trio. da ist wenig grübeln und viel verzweiflung und aggression und zerstörungswut. „sein oder nicht sein“ – das ist für die drei horatios keine frage, sondern eine lästige pflichtübung, da alles schon gesagt und breitgetreten ist, weshalb sie den monolog dem musiker christoph hart überlassen, der aus historischen aufnahmen mit grossen schauspielern eine coole toncollage mit immer härteren beats bastelt. diese inszenierung wirkt gelegentlich pubertär, aber immer kraftvoll. am schluss stehen wieder dutzende von eimern auf der bühne, der saft fürs nächste blutbad. „weiter, weiter“ flimmert über die led-leiste. hamlet 2017, arrogant und durchgeknallt.

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