Freitag, 3. Juni 2016

LUZERN: NORMA

verzweiflung total. norma übergiesst sich – in einer schäbigen, leicht brennbaren holzkulisse – mit benzin, hat die zündhölzer bereits in der hand, die ihr adalgisa, ihre durch die liebe zum gleichen mann zur rivalin gewordene freundin im allerletzten moment und mit der letzten kraft entreisst. die beiden fallen vor verzweiflung und erschöpfung zu boden – und singen dann eines der betörendsten frauenduette der opernliteratur, liegend. nadja loschkys luzerner inszenierung von bellinis „norma“ ist reich an solch emotional aufgeladenen personenkonstellationenen. die komplexe dreiecksbeziehung mit einem offizier der besatzungsmacht und die noch komplexere ambivalenz zwischen öffentlicher rolle als der keuschheit verpflichtete priesterin und privatem verlangen und verzehren entwickelt loschky kongenial zu bellinis grandioser seelenmusik. morenike fadayomi, bei der première im märz noch kurzfristig eingesprungen und entsprechend nervös, erweist sich jetzt als grossartige norma; sie ist in dieser rolle definitiv angekommen, mit einer warmen, kraftvollen, differenzierten stimme und als eindrückliche darstellerin. selbstbewusst und kämpferisch in ihrer öffentlichen rolle, liebevoll und verunsichert in der privaten – und mit ihren funkelnden augen und ihrer dunklen haut im blütenweissen kleid auch optisch ein highlight. daneben fallen die anderen deutlich ab, die einen stimmlich (marie-luise dressen als zu grelle adalgisa), den anderen fehlt die darstellerische tiefe (carlo jung-heyk cho als liebhaber, flurin caduff als normas vater). und howard arman dirigiert das luzerner sinfonieorchester schnell und laut, an bellinis melodienreigen scheint ihn der effekt bedeutend mehr zu interessieren als die faszinierenden facetten, was dazu führt, dass er mit seinem fortissimo-furor nicht nur das kleine theater beinahe sprengt, sondern auch die stimmen immer wieder zudeckt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen