bastian, caroline, colin, daniel, irina, jonathan, maike, merlin, nurit, philipp. schöne
namen. vier frauen, sechs männer, zwischen 21 und 27 jahre alt. sie sind der
vierte jahrgang der otto-falckenberg-schule in münchen, abschlussklasse. sie sind die
schauspielerinnen und schauspieler von morgen. ivo ist die abkürzung des
grauens für alle schauspielschüler. ivo, intendantenvorsprechen. da sitzen sie
dann, die theaterleiter und dramaturginnen und agenten, und glotzen und mustern und entscheiden über karrieren.
die falckenberg-klasse gibt alles, poetisches und plakatives, koltès und
kroetz, hofmannsthal und tschechow, allein und zu zweit. die ganze kunst und
der ganze schweiss - wie immer beim ivo. doch etwas ist anders: die
kammerspiele und der schweizer regisseur boris nikitin haben das vorsprechen
dieses jahr zu einer öffentlichen veranstaltung gemacht, das vorsprechen findet
vier oder fünf mal statt, mit publikum. beim anschliessenden gespräch neben der bühne wird
schnell klar: dieses setting ist eine erlösung für die theaterklasse, weil der
saal atmet und reagiert; es ist eine erleichterung für die beobachtenden
profis, weil sie mit ihrer unangenehmen rolle in einer masse verschwinden
können; es ist ein gewinn fürs publikum, das einen entscheidenden moment in
einer schauspielerkarriere live miterleben kann. warum also ist dieses
öffentliche vorsprechen die ausnahme, nicht die regel? und warum heisst eine
veranstaltung, wo so viel bewegung und musik und emotion und kraft den raum
füllt, vorsprechen?
Mittwoch, 18. November 2015
Dienstag, 17. November 2015
MÜNCHEN: ROCCO UND SEINE BRÜDER
„im
wohnzimmer der parondis“ steht in roter leuchtschrift auf halber bühnenhöhe
oder „im boxclub“ oder „auf dem dach der kirche“. der rest: eine grosse,
schwarze, meist leere bühne. der rest also: schauspielkunst – und phantasie des
zuschauers, die durch keine umbaupause belästigt wird. so einfach erzählt simon
stone, seit dieser spielzeit hausregisseur am theater basel, in den münchner
kammerspielen jetzt den neorealismo-klassiker „rocco und seine brüder“ von luchino
visconti. stone hat die geschichte der familie parondi, die aus dem armen süden
in die grosse stadt im norden zieht, überschrieben: aus italien wird irgendwo,
aus 1960 wird 2015, die fünf parondi-brüder sprechen eine sehr heutige, sehr
schnelle sprache, alles ist emotional aufgeladen, der klassenkampf kennt keine
nebensätze. trotz diesem tempo, trotz den harten schnitten gelingt es dem
regisseur, seinen figuren pralles leben mitzugeben, sie zu entwickeln bei ihrem
versuch, die vergangenheit hinter sich zu lassen. in der gegenwart dreht sich
alles nur ums boxen und um die nutte nadia (wunderbar vielschichtig: brigitte
hobmeier), die simone am schluss in seiner verzweiflung ermordet. fünf tolle
schauspieler, vier davon neu an den kammerspielen, lassen das traditionelle
familienbild und die hochtrabenden zukunftspläne sehr plastisch und sehr rasant
ins wanken geraten: „diese stadt bringt uns um.“ aus den zuzüglern wird die
neue unterschicht. die migrationsdebatte hat ihr déjà vu.
Donnerstag, 12. November 2015
MÜNCHEN: POLT, POLTER, POLTERABEND
die
nürnberger gesellschaft für konsumforschung (gfk) ermittelte die häufigsten
gründe für streit unter nachbarn in deutschland: ruhestörender lärm,
missachtete nachbarpflichten (treppenhausreinigung usw.), stinkende/dreckige/laute
haustiere, unfreundlichkeit, störende besucher, lästiger
zigarettenrauch, verdreckte gemeinschaftsräume. welches gewicht dieser
kleinkrieg im alltag der deutschen hat, welche bedeutung für die befindlichkeit
dieser nation, wird erst dadurch vollumfänglich klar, dass gerhard polt ihm ein
abendfüllendes programm widmet! zweieinhalb stunden über
nachbarschaftsstreitereien!! an den münchner kammerspielen, dem theater der
ganz grossen themen und konzepte!!! „ekzem homo“ heisst die veranstaltung, der
mensch als plage. kulminationspunkt der poltschen volkskunde ist der satz: „um
einen anderen umzubringen, muss man ja nicht zwangsläufig religiös sein.“
vereint mit seinen nach wie vor brillanten musikantenkumpeln, den well-brüdern
aus dem biermoos, kämpft sich polt durch laubbläser- und grillrauchattacken,
die kleingeistigkeit der ortsfeuerwehr bekommt ihr fett ab, die
kleingeistigkeit der laientheatergruppe, die kleingeistigkeit der csu und die
kleingeistigkeit der katholischen kirche. immer auch liebevoll augenzwinkernd,
immer auch mit hundert gramm philosophie, wobei ihm der gute alte nestroy pate
stand: der mensch an und für sich ist gut, aber die leut´ sind ein gesindel.
die zahl der nachbarschaftsverfahren vor deutschen gerichten wächst. mag sein,
dass man als nicht-deutscher die ultimative brisanz der thematik nicht wirklich
nachvollziehen kann oder will, doch auch die scharfe beobachtung des
rest-publikums lässt kaum zweifel an der gesamtbilanz: der polt war auch schon
polter.
Dienstag, 10. November 2015
MÜNCHEN: MÜNCHEN!
"solange die eltern am leben sind, sollst du keine weiten reisen unternehmen." (konfuzius)
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