Dienstag, 17. November 2015

MÜNCHEN: ROCCO UND SEINE BRÜDER

„im wohnzimmer der parondis“ steht in roter leuchtschrift auf halber bühnenhöhe oder „im boxclub“ oder „auf dem dach der kirche“. der rest: eine grosse, schwarze, meist leere bühne. der rest also: schauspielkunst – und phantasie des zuschauers, die durch keine umbaupause belästigt wird. so einfach erzählt simon stone, seit dieser spielzeit hausregisseur am theater basel, in den münchner kammerspielen jetzt den neorealismo-klassiker „rocco und seine brüder“ von luchino visconti. stone hat die geschichte der familie parondi, die aus dem armen süden in die grosse stadt im norden zieht, überschrieben: aus italien wird irgendwo, aus 1960 wird 2015, die fünf parondi-brüder sprechen eine sehr heutige, sehr schnelle sprache, alles ist emotional aufgeladen, der klassenkampf kennt keine nebensätze. trotz diesem tempo, trotz den harten schnitten gelingt es dem regisseur, seinen figuren pralles leben mitzugeben, sie zu entwickeln bei ihrem versuch, die vergangenheit hinter sich zu lassen. in der gegenwart dreht sich alles nur ums boxen und um die nutte nadia (wunderbar vielschichtig: brigitte hobmeier), die simone am schluss in seiner verzweiflung ermordet. fünf tolle schauspieler, vier davon neu an den kammerspielen, lassen das traditionelle familienbild und die hochtrabenden zukunftspläne sehr plastisch und sehr rasant ins wanken geraten: „diese stadt bringt uns um.“ aus den zuzüglern wird die neue unterschicht. die migrationsdebatte hat ihr déjà vu.

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