„im
wohnzimmer der parondis“ steht in roter leuchtschrift auf halber bühnenhöhe
oder „im boxclub“ oder „auf dem dach der kirche“. der rest: eine grosse,
schwarze, meist leere bühne. der rest also: schauspielkunst – und phantasie des
zuschauers, die durch keine umbaupause belästigt wird. so einfach erzählt simon
stone, seit dieser spielzeit hausregisseur am theater basel, in den münchner
kammerspielen jetzt den neorealismo-klassiker „rocco und seine brüder“ von luchino
visconti. stone hat die geschichte der familie parondi, die aus dem armen süden
in die grosse stadt im norden zieht, überschrieben: aus italien wird irgendwo,
aus 1960 wird 2015, die fünf parondi-brüder sprechen eine sehr heutige, sehr
schnelle sprache, alles ist emotional aufgeladen, der klassenkampf kennt keine
nebensätze. trotz diesem tempo, trotz den harten schnitten gelingt es dem
regisseur, seinen figuren pralles leben mitzugeben, sie zu entwickeln bei ihrem
versuch, die vergangenheit hinter sich zu lassen. in der gegenwart dreht sich
alles nur ums boxen und um die nutte nadia (wunderbar vielschichtig: brigitte
hobmeier), die simone am schluss in seiner verzweiflung ermordet. fünf tolle
schauspieler, vier davon neu an den kammerspielen, lassen das traditionelle
familienbild und die hochtrabenden zukunftspläne sehr plastisch und sehr rasant
ins wanken geraten: „diese stadt bringt uns um.“ aus den zuzüglern wird die
neue unterschicht. die migrationsdebatte hat ihr déjà vu.
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