Dienstag, 7. April 2015

ROMA: BRIEFE INS LEERE

ein grosser dunkler raum. im alten teil von zaha hadids maxxi in rom hängen fünf zimmerhohe screens unregelmässig angeordnet in der schwarzen leere. darauf ein paar vereinzelte menschen in einem einst repräsentativen, mittlerweile heruntergekommenen festsaal, fahles licht von aussen, die offensichtliche inszenierung einer belasteten zeit: auf einem bildschirm sitzt eine ältere frau auf einer bettkante, ein mann wie ein beichtvater ihr gegenüber; auf einem anderen ein jüngerer mann grübelnd an einem alten schreibtisch; stille, schweigen, keine bewegungen. zu dieser bleiernen ereignislosigkeit lassen die beiden albanisch-italienischen videokünstler adrian paci und roland sejko auf der tonspur briefe lesen, briefe aus der zeit nach 1943, als über 20'000 italiener nach der okkupation für jahre in albanien festgehalten wurden und keinen kontakt zur heimat haben durften. es sind briefe von angehörigen, geliebten, müttern, brüdern. zunächst überrascht, solange nichts zu hören, dann verzweifelt, dann hoffnungslos. "dopo mesi e mesi che non ho più notizie del tuo arrivo, non posso più nascondertelo, tuo padre è morto otto mesi fa." und in der letzten phase versuchen sie sich mit dem unausweichlichen zu arrangieren, weil zum beispiel entscheidungen nicht länger aufgeschoben werden können, weil grössere ausgaben beschlossen werden müssen. es sind briefe, die ihre empfänger nie erreichen. briefe ins leere. auch umgekehrt, auch die post aus albanien gelangt nicht nach italien. zwei länder, keine 100 kilometer und doch durch die geschichte welten voneinander entfernt. die säcke mit all den ungelesenen briefen wurden erst jahrzehnte später im albanischen staatsarchiv entdeckt. jetzt liegen diese briefe im maxxi, am eingang zum grossen dunklen saal.

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