„ich
bin schriftsteller, ich bin arzt, ich bin mörder.“ ferdinand bardamu, der
ich-erzähler in louis-ferdinand célines autobiografischem roman „reise ans ende
der nacht“, überlebte verwundet den ersten weltkrieg, landete in der
psychiatrie, als hygieniker in afrika, am fliessband bei ford in detroit und
wurde schliesslich armenarzt in einer pariser vorstadt. das hinterlässt spuren.
das resultat: 650 seiten hirngespinste. das war 1932 literatur jenseits aller
konventionen und ist ein gefundenes fressen für frank castorf, der den ganzen
schmutz dieses lebens am münchner residenztheater als viereinhalbstündigen
fiebertraum inszeniert. aleksandar denic baut ihm dafür ein verwinkeltes
kongo-hüttendorf auf die drehbühne, mit benzinkanistern, riesenventilatoren,
alten waschmaschinen und einer demolierten croix-rouge-ambulanz. auf diesem
spielplatz der hoffnungslosigkeit wird selbst für castorf-verhältnisse viel
gebrüllt und geplärrt, selbst für castorf-verhältnisse viel per video aus dem
off gebeamt. dieser abend ist literatur, theater, kino und verzweiflungsakt in
einem und wurde konsequenterweise ans berliner theatertreffen eingeladen. verschwitzt
und verzweifelt torkeln bibiana beglau und franz pätzold, die sich bardamu und
sein alter ego robinson furios teilen und darin abwechseln, über verblutende
frauen, irre soldaten, zuhälter und machtmenschen – ein erbarmungsloser,
bewegend gespielter marathon des grauens. im stillsten moment des abends
monologisiert beglau ein lebendes huhn in die offensichtliche bewusstlosigkeit.
es ist eine reise ans ende der nacht. keine ankunft dort. keine erlösung.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen