diese
oper ist zu kurz. ja, das gibt es. die unmögliche liebe einer lebenslustigen
jungen frau, die ins kloster soll, und eines theologiestudenten, ihr
unaufhörliches hin und her zwischen rauschhaftem leben und wahrer liebe, ihre
immer wieder schmerzhaften trennungen wegen echten und falschen gefühlen und
wegen wertvollen und falschen freunden – das alles braucht zeit, um sich nachvollziehbar
zu entwickeln. diese zeit gönnte schon jules massenet seiner „manon“ (und ihrem
publikum) nur knapp, das geht hopp-hopp vom liebhaber zum nebenbuhler, vom hoch
zum tief, vom ballsaal ins priesterseminar, von der provinz nach paris und wieder
zurück. und was machen dirigent yoel gamzou und regisseur marco štorman am
luzerner theater? sie kürzen noch mehr, lassen diverse chorszenen, ballette und
zwischenspiele ebenso weg wie bühnenbilder und blicken in einer unterkühlten
neon-welt spotartig auf dieses leben und diese liebe: ein „manon“-konzentrat,
das die komplexe geschichte dieser frau nur mehr erahnen lässt. zum glück
entfaltet massenets musik mit ihren wirkungsvollen motiven und emotionalen
wechselbädern selbst in dieser kastrierten fassung eine phantastische
dramatische wucht. und zum glück schafft es das hervorragende junge ensemble,
diese zum kammerspiel reduzierte lyrische tragödie immer wieder kraftvoll und glaubhaft aufzuladen:
nicole chevalier als manon, diego silva als des grieux und bernt ola
volungholen als manons cousin lescaut sind als permanente wandler zwischen
ihren überschäumenden träumen und verzweifelter einsamkeit sowohl stimmlich wie
auch darstellerisch eine spitzenbesetzung. der zuschauerraum des luzerner
theaters war bei dieser vorstellung halb leer. der halb volle teil applaudierte
begeistert.
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