Samstag, 25. Oktober 2014

LUZERN: DON JUAN - VIELE KÜSSE, VIELE ÄNGSTE

herzallerliebst! wie die tanztruppe des luzerner theaters die geschichte vom begnadeten verführer don juan präsentiert, das ist ein wahres bijou. zu mix-musik aus opern, balletten und sinfonien von christoph willibald gluck und inmitten wild wechselnder barocker bühnenprospekte entwirft der brasilianische choreograf fernando melo figuren-konstellationen, so filigran und fulminant, dass man sich nicht satt sehen kann. wo zum beispiel hat man schon einen mehrere minuten dauernden pas de deux geboten bekommen, bei dem sich die beiden ununterbrochen küssen, erotik und akrobatik aufs köstlichste verbindend? das kommen und gehen 2065 weiblicher schönheiten in don juans leben wird mit atemberaubendem slapstick und verblüffenden theatertricks auf die spitze getrieben, ein permanentes trompe-l’oeil. mit diesem die tänzer wie das publikum gleichermassen elektrisierenden gewusel könnte der abend endlos an der oberfläche bleiben. tut er aber nicht. ganz bewusst verdeutlicht die choreografie, wie die zahllosen verführungen und versuchungen nicht nur die gefühlswelt der damen durcheinander bringen, sondern durchaus nachhaltig vor allem don juans eigene, hier also deutlich von mozarts einigermassen unreflektiertem don giovanni abweichend. samuel déniz falcón ist für diese sichtweise die ideale besetzung: ein junger strahlemann, hinter der fassade mit selbstzweifeln, existenzängsten, todesahnungen ringend – ein differenziertes rollenporträt. und am schluss, zu glucks betörenden schatten-melodien, eine durchaus attraktive leiche.

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