Sonntag, 28. Oktober 2012

MÜNCHEN: MAXIMILIANSTRASSE BY JELINEK

das timing könnte perfekter nicht sein. schnee fällt in der maximilianstrasse, es ist eisig in der glitzerwelt. und drinnen, in den münchner kammerspielen an der maximilianstrasse 26, die aus anlass ihres 100-jahr-jubiläums bei elfriede jelinek ein stück über die maximilianstrasse bestellt haben, werden hundert säcke mit eiskörnern auf die bühne gekippt. die kristalle schmelzen während der knapp dreistündigen uraufführung, das edel-blendende weiss endet in matsch und wasserlachen. regisseur johan simons und seine bühnenbildnerin eva veronica born haben ein imposantes bild gefunden zu dieser phantasie über schein und sein an der münchner luxus-meile. das programmheft droht: „129 seiten sprachfläche, fein kommatiert und spärlich gepunktet, ohne absätze: das stück ist ein monstrum.“ so ist es. frau jelinek dreht ihre reflexionen über die funkelnden fassaden und die leere der menschen dahinter durch ihre redundanz-maschine; doch was bei anderen sujets einen unwiderstehlichen sog entwickelt, endet in „die strasse. die stadt. der überfall.“ in breiter langeweile. nix neues aus der abteilung kapitalismus-kritik. zwei schauspieler retten den abend: sandra hüller ist als prototyp der maximilianstrasse-kundin, die mit borniertheit und botox ihr elend als zahnarztgattin zu überspielen versucht, schlicht genial. und benny claessens zerrt, unvermeidlich, den ermordeten münchner modeschöpfer rudolph moshammer ins leben zurück, lässt ihn herzergreifend um sich selber trauern und um seinen hund daisy – und ist fest davon überzeugt, dass sein tod auch der tod der maximilianstrasse war. so sie denn je gelebt hat.

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