das timing könnte perfekter nicht sein. schnee fällt in der
maximilianstrasse, es ist eisig in der glitzerwelt. und drinnen, in den
münchner kammerspielen an der maximilianstrasse 26, die aus anlass ihres
100-jahr-jubiläums bei elfriede jelinek ein stück über die maximilianstrasse
bestellt haben, werden hundert säcke mit eiskörnern auf die bühne gekippt. die
kristalle schmelzen während der knapp dreistündigen uraufführung, das
edel-blendende weiss endet in matsch und wasserlachen. regisseur johan simons und
seine bühnenbildnerin eva veronica born haben ein imposantes bild gefunden zu
dieser phantasie über schein und sein an der münchner luxus-meile. das
programmheft droht: „129 seiten sprachfläche, fein kommatiert und spärlich
gepunktet, ohne absätze: das stück ist ein monstrum.“ so ist es. frau jelinek
dreht ihre reflexionen über die funkelnden fassaden und die leere der menschen
dahinter durch ihre redundanz-maschine; doch was bei anderen sujets einen
unwiderstehlichen sog entwickelt, endet in „die strasse. die stadt. der
überfall.“ in breiter langeweile. nix neues aus der abteilung
kapitalismus-kritik. zwei schauspieler retten den abend: sandra hüller ist als
prototyp der maximilianstrasse-kundin, die mit borniertheit und botox ihr elend
als zahnarztgattin zu überspielen versucht, schlicht genial. und benny
claessens zerrt, unvermeidlich, den ermordeten münchner modeschöpfer rudolph
moshammer ins leben zurück, lässt ihn herzergreifend um sich selber trauern und
um seinen hund daisy – und ist fest davon überzeugt, dass sein tod auch der tod
der maximilianstrasse war. so sie denn je gelebt hat.
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