Sonntag, 28. Juli 2024

TAVIRA: FADO MAL ANDERSWO

fado in einer kirche? die portugiesischen weltschmerz-balladen gehören für mich in eine düstere spelunke, schnaps- und schweissgeschwängert, in einer zwielichtigen nebengasse. aber fado in einer kirche? ich liess mich dann doch überreden, denn ich mag meine vorurteile und klischeevorstellungen gerne entweder bestätigt oder widerlegt. fado also in der igreja de misericórdia, der prachtvoll überladenen renaissance-kirche von tavira an portugals südküste. fado, von der unesco 2011 zum weltkulturerbe geadelt, mal ganz ohne kneipenmief. um es kurz zu machen: es passt, wider alle erwartungen. wenn inês graça im bodenlangen roten kleid mit eindringlichem blick und noch eindringlicherer stimme loslegt mit diesen melancholischen moll-melodien und den vielen tonhöhensprüngen, wird das eh schon dramatische durch die kirchenakustik ins hochdramatische gesteigert. und wenn die fadista dann - und wie! - zu "coimbra é uma liçao..." ansetzt, dem ultimativen ohrwurm von 1947, der seither unter dem titel "april in portugal" mehr als 200 coverversionen erdulden musste (u.a. von bing crossby, julio iglesias, james last.....), dann ist das publikum nicht mehr zu halten, das mehrheitlich portugiesische, wohlgemerkt, die kirche summt mit, die kirche klatscht, die kirche stampft. fado, sagt der gitarrist einmal, erzähle ja nicht nur vom leiden am leben und an der liebe und an der welt, sondern sei auch ein ausdruck der portugiesischen gastfreundschaft: immer sei ein platz am tisch frei und immer warte man, bis jemand an die tür klopfe und sich dazusetze. kitsch? vielleicht. ein wenig kitsch gehört zum fado.

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