ein leicht lädierter, leerer bilderrahmen dominiert die bühne in der box des luzerner theaters. durch diesen rahmen steigen die vier mitwirkenden rein in die geschichte von „orlando“ und wieder raus, durch diesen rahmen blicken wir in die vergangenheit und auf diesen bildhübschen, etwas linkischen jungen mann, der mit 30 nach einem tiefschlaf als frau und in einer anderen epoche wieder erwacht. regisseurin corinna von rad packt sich die zentralen motive und zitate aus virginia woolfs phantastischem roman („in jedem menschen ereignet sich das schwanken zwischen den geschlechtern“) und zaubert daraus 100 minuten genderperformance vom allerfeinsten. der multi-musikus jürg kienberger – aus der marthaler-entourage – als conférencier, queere queen und dürrenmatt-parodie, die schauspielerin wiebke kayser, zuständig für den ernsten unterton, der schauspieler robert rožić, ein ungezähmter bewegungskünstler, und der tenor ziad nehme, der vom baritonschmelz bis in allerhöchste counterlagen absolut virtuos alles drauf hat - sie sind ein fabelhaftes quartett für dieses spiel mit identitäten und kostümen, klemmen sich in enge korsetts und paillettenkleidchen, verhandeln moralvorstellungen in victorianischen und liberaleren zeiten, werfen sich zwischendurch mal kurz in wahlweise frauen- oder männerspagat, begleitet von schepperndem piano und glasharfe swingen und singen sie sich durch die jahrhunderte, bohemian rhapsody und barockarien, russische volksweisen und ohrwürmer aus den fünfzigern. das funkt und das fegt. und es führt uns auf charmanteste weise zum kern, zum orlando in uns allen. wie schrieb virginia woolf 1928, der zeit weit voraus: „ich plädiere dafür, dass wir die schichten des ichs umarmen.“ dieser abend ist verspielt, amüsant, geistreich, ein riesenspass mit tiefgang. das publikum? pure begeisterung.
Da schliesse ich mich 100%-ig an. Unbedingt besuchen. Bestes Theater. Eben: Spass mit Tiefgang👍
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