Montag, 22. April 2019

LUZERN: ALKESTIS

(kleines jubiläum, dies ist der 500. post von BRANDER LIVE)

„was willst du? lass mich los.“ alkestis liegt bereits auf der bahre. sie opfert sich anstelle ihres gatten admetos, der sterben müsste, weil er artemis ein opfer versagte, aber gerettet werden kann, wenn er jemanden findet, der für ihn in den tod geht. „was willst du? lass mich los.“ sie hat sich entschieden, dem mann zuliebe, für den tod. doch die todgeweihte wird von ihrem gatten bedrängt. er kann nicht loslassen, er will, dass sie lebt, er hält sie fest, ein bizarrer kampf entwickelt sich auf der bahre, sie spricht griechisch, er spricht deutsch, leben und tod umgarnen und umarmen sich. mit „alkestis“ hat euripides weder tragödie noch komödie geschrieben, sondern ein seltsames spiel voller rätsel. in einer surrealen szenerie mit ballsaal-leuchtern, in farbe getauchten nebelschwaden und müden fichten findet das griechische regie-duo angeliki papoulia und christos passalis am luzerner theater poetische, geheimnisvolle und wuchtige bilder zum abschied von einem geliebten menschen, zu schmerz und wut und verzweiflung. den höhepunkt bildet die begräbnisprozession, bei der das publikum alkestis‘ gladiolengeschmückten sarg vor die jesuitenkirche folgt, wo er von einer barke abgeholt wird und zu melancholischen bläsersätzen reussabwärts entschwindet. nach der pause bringt halbgott herakles, der alte sauf- und raufbold, alkestis zurück ins leben. da weicht der bedächtige rhythmus, ein dionysischer spuk entwickelt sich, rote teppiche werden ausgerollt zwischen den fichten, greek pop dröhnt, masken fallen. ist sie es wirklich? lebt sie? gibt es die grenzen zwischen leben und tod nicht mehr? steht hinter jedem tod ein leben, das befreit werden will? totentanz und lebensfest, das passt bestens zu ostern.

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