der teufel besucht moskau. jan
bluthardt gibt ihn am diesmal zum intimen variété umgebauten theater neumarkt
in zürich total chic im schwarzen sakko mit schmetterlingsmotiven und viel gel
im haar, ein ausgesprochen intelligenter und cleverer typ. er nennt sich hier
voland und gibt sich als deutscher professor für schwarze magie aus. der teufel
ist die zentrale figur in michail bulgakows kultroman „meister und margarita“,
der gerne als „der russische faust“ bezeichnet wird, ein überbordender roman
über kunst und politik, über liebe und andere leidenschaften. in peter
kastenmüllers vortrefflicher regie stürzt dieser teufel das moskau der 30er
jahre nicht ins chaos, sondern in eine abgrundtiefe verunsicherung. er beisst
sich fest am verordneten atheismus und der absurden bürokratie, er umschleicht
die menschen, horcht sie aus (mit mehr erfolg als die miliz) und durchschaut
sie. durchschaut sie und ihre unterwerfungen, ihre lügengeschichten, ihre
skandale. kurz: der kerl verfolgt eine nicht unsympathische mission. bulgakows
grandioses kaleidoskop ist ein gefundenes fressen für die spielfreudige
neumarkt-truppe: die dreieinhalbstündige zickzack-wanderung durch die russische
seele wird hier zu einer ebenso klugen wie kurzweiligen revue, realistisch,
satirisch, phantastisch, mit schrägen videoclips und parodien auf
sandalenfilme, mit russischen schnulzen und schäbigen zaubertricks. die
gesellschafts- und systemkritik entwickelt so einen geradezu opernhaften rausch
– und nüchtern bleibt, natürlich, nur der teufel: „wozu dem nachjagen, was zu
ende ist?“ fragt er final, derweil moskau und das publikum im trockeneisnebel
wegdämmern.
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