Sonntag, 10. Dezember 2017

ZÜRICH: MEISTER UND MARGARITA

der teufel besucht moskau. jan bluthardt gibt ihn am diesmal zum intimen variété umgebauten theater neumarkt in zürich total chic im schwarzen sakko mit schmetterlingsmotiven und viel gel im haar, ein ausgesprochen intelligenter und cleverer typ. er nennt sich hier voland und gibt sich als deutscher professor für schwarze magie aus. der teufel ist die zentrale figur in michail bulgakows kultroman „meister und margarita“, der gerne als „der russische faust“ bezeichnet wird, ein überbordender roman über kunst und politik, über liebe und andere leidenschaften. in peter kastenmüllers vortrefflicher regie stürzt dieser teufel das moskau der 30er jahre nicht ins chaos, sondern in eine abgrundtiefe verunsicherung. er beisst sich fest am verordneten atheismus und der absurden bürokratie, er umschleicht die menschen, horcht sie aus (mit mehr erfolg als die miliz) und durchschaut sie. durchschaut sie und ihre unterwerfungen, ihre lügengeschichten, ihre skandale. kurz: der kerl verfolgt eine nicht unsympathische mission. bulgakows grandioses kaleidoskop ist ein gefundenes fressen für die spielfreudige neumarkt-truppe: die dreieinhalbstündige zickzack-wanderung durch die russische seele wird hier zu einer ebenso klugen wie kurzweiligen revue, realistisch, satirisch, phantastisch, mit schrägen videoclips und parodien auf sandalenfilme, mit russischen schnulzen und schäbigen zaubertricks. die gesellschafts- und systemkritik entwickelt so einen geradezu opernhaften rausch – und nüchtern bleibt, natürlich, nur der teufel: „wozu dem nachjagen, was zu ende ist?“ fragt er final, derweil moskau und das publikum im trockeneisnebel wegdämmern.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen