Donnerstag, 20. Juli 2017

MÜNCHEN: SCHWANGER IM KIRSCHGARTEN

"brigitte hobmeier wird mutter! die rolle der scharlotta iwanowna übernimmt daher bis zur sommerpause ensemblemitglied thomas hauser." was für eine umbesetzung, die der beizettel im programmheft da knapp annonciert: mann statt frau, newcomer statt diva, die münchner kammerspiele kennen gar nichts. hauser geht die rolle der gouvernante in tschechows "kirschgarten" leise und subtil an, flüsternd fast, die einzige figur, die weiss, dass sie nicht weiss, wer sie ist; die einzige, die zugibt, dass sie keine lösung hat in diesen zeiten des wandels; die einzige, die die anderen allesamt durchschaut, was sich gleich nach der pause zeigt, wo iwanowna/hauser in einem fulminanten "was bisher geschah"-solo die anderen elf figuren im höllentempo imitiert und karikiert und sortiert. coole umbesetzung, die hobmeier muss sich während der schwangerschaft nicht grämen. eigentlich haben wir uns diese vorstellung aus einem ganz anderen grund angeschaut: sie trägt den stempel von nicolas stemann (hausregisseur) und benjamin von blomberg (chefdramaturg), das sind die beiden, die am schauspielhaus zürich als co-leitung die nachfolge von barbara frey antreten. hier machen sie gleich klar: nicht nur im kirschgarten ist gröberer umbruch angesagt, sondern auch im theater, das alte wird abgeholzt, das neue hat - nicht bloss an den kammerspielen - noch keine klaren konturen. die bühne ist bis auf ein paar mikroständer leergefegt, der schwere rote samtvorhang mit goldkante wird in wilder choreografie hin und her gezogen und schliesslich runtergerupft. unruhe, ungewissheit, planlosigkeit, lethargie - den tschechowschen blues, den kriegt diese inszenierung ganz trefflich hin. trefflich und zukunftsschwanger.

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