Mittwoch, 7. Juni 2017

MÜNCHEN: KREISE/VISIONEN

das leben ist ein leeres weisses blatt. so liegt es vor uns im marstall des münchner residenztheaters, 15 auf 15 meter, das publikum auf allen vier seiten. dann stürzen drei schauspielerinnen und fünf schauspieler herein, alle im violetten frack, alle mit glatzen und schlohweissem resthaar, alle mit einer discokugel spielend. willkommen im variété, willkommen in einer philosophischen revue über hoffnungen, ängste und träume, willkommen in joël pommerats stück „kreise/visionen“. der französische theatermacher verschachtelt darin acht geschichten aus sieben jahrhunderten zu 20 szenen mit 64 figuren. zwei kinderlose paare verirren sich in einem wald und hören immer babygeschrei. ein steinreicher manager sucht bei obdachlosen einen organspender, um das leben seines sohnes zu retten. ein adeliger möchte im drogenrausch seinen bediensteten verführen, doch der will lieber in den krieg ziehen. und. so. weiter. regisseurin tina lanik entwickelt mit ihren acht violetten conférencier-clowns zunächst einen rasenden reigen, der immer um die frage kreist, wo das glück zu finden ist und wo der erfolg und wo man bitte die energie her nehmen soll, um es zu sehen und sich ihm zu nähern. das spielt, allen violetten überhöhungen zum trotz, meistens sehr nahe am alltag. der motivationstrainer, der arbeitslose coacht, und der verkäufer, der einer depressiven alleinerziehenden die „universalbibel zum erfolg“ andrehen will,  bekommen dann allerdings so viel platz, dass der rhythmus der episoden völlig aus dem gleichgewicht gerät. die revue wird zäh, die reflexion erlahmt.

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