minutenlang
schreitet mahatma gandhi im weissen gewand über die dunkle bühne und singt dazu
texte aus dem altindischen epos „bhagavad gita“. eine lichtgestalt. minutenlang
tanzt mahatma gandhi im weissen gewand inmitten von farbigen kämpfern, die ihre
blutigen hände zum himmel werfen. minutenlang freut sich mahatma gandhi im
weissen gewand über die leute, die die gründung seiner zeitung „indian opinion“
feiern. diesem kämpfer für gewaltfreien widerstand wollte der amerikanische
komponist philipp glass 1980 ein denkmal setzen. er nannte es eine oper.
„satyagraha“ („kraft der wahrheit“) erlebte jetzt, zum 80. geburtstag des
komponisten, am theater basel ihre schweizerische erstaufführung, inszeniert
vom multikulti-choreografen sidi larbi cherkaoui, dirigiert von jonathan
stockhammer: viel bewegung, kaum handlung. eine oper? eher ein oratorium, eine
musikalische meditation darüber, wie sehr der wunsch nach abwesenheit von krieg
und gewalt auch persönliche veränderung bedingt. und tatsächlich scheinen sich nicht
wenige im publikum hier zu einem gandhi-gottesdienst einfinden zu wollen. sie
werden aufs äusserste gefordert, denn glass schrieb für gandhi (rolf romei mit
strahlendem tenor) zwar sinnlich-schöne melodienbögen und stattete auch die
chöre musikalisch gut aus, doch dem orchester verordnete er parallel
dazu absolute musikalische einfalt, endlos, wirklich endlos, die immer gleichen
zwitschernden tonleitern und die immer gleichen juckenden dreiklänge. definitiv
keine oper also, sondern ein strapaziöses, überredundantes klangexperiment.
minimal music auf maximale dauer zerdehnt. statt der vom komponisten
beabsichtigten hypnotisierenden spiritualität erlebten wir drei letztlich
nervtötende stunden. zum glück haben wir von gandhi gelernt, unseren zorn in
positive energie umzuwandeln.
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