Donnerstag, 15. Juni 2017

BASEL: SATYAGRAHA, NERVTÖTEND

minutenlang schreitet mahatma gandhi im weissen gewand über die dunkle bühne und singt dazu texte aus dem altindischen epos „bhagavad gita“. eine lichtgestalt. minutenlang tanzt mahatma gandhi im weissen gewand inmitten von farbigen kämpfern, die ihre blutigen hände zum himmel werfen. minutenlang freut sich mahatma gandhi im weissen gewand über die leute, die die gründung seiner zeitung „indian opinion“ feiern. diesem kämpfer für gewaltfreien widerstand wollte der amerikanische komponist philipp glass 1980 ein denkmal setzen. er nannte es eine oper. „satyagraha“ („kraft der wahrheit“) erlebte jetzt, zum 80. geburtstag des komponisten, am theater basel ihre schweizerische erstaufführung, inszeniert vom multikulti-choreografen sidi larbi cherkaoui, dirigiert von jonathan stockhammer: viel bewegung, kaum handlung. eine oper? eher ein oratorium, eine musikalische meditation darüber, wie sehr der wunsch nach abwesenheit von krieg und gewalt auch persönliche veränderung bedingt. und tatsächlich scheinen sich nicht wenige im publikum hier zu einem gandhi-gottesdienst einfinden zu wollen. sie werden aufs äusserste gefordert, denn glass schrieb für gandhi (rolf romei mit strahlendem tenor) zwar sinnlich-schöne melodienbögen und stattete auch die chöre musikalisch gut aus, doch dem orchester verordnete er parallel dazu absolute musikalische einfalt, endlos, wirklich endlos, die immer gleichen zwitschernden tonleitern und die immer gleichen juckenden dreiklänge. definitiv keine oper also, sondern ein strapaziöses, überredundantes klangexperiment. minimal music auf maximale dauer zerdehnt. statt der vom komponisten beabsichtigten hypnotisierenden spiritualität erlebten wir drei letztlich nervtötende stunden. zum glück haben wir von gandhi gelernt, unseren zorn in positive energie umzuwandeln.

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