„abbandonata
in questo popoloso deserto che appellano parigi!“ sie fühlt sich verlassen,
verloren, völlig einsam in dieser wüste namens paris. violetta valéry, die an
tuberkulose erkrankte edelkurtisane aus giuseppe verdis „la traviata“, steht im
luzerner theater die ganzen zweieinhalb stunden allein auf der vorbühne; alle
anderen singen nur aus dem dunkel der oberen ränge des zuschauerraums, sind
bloss stimmen in ihrem kopf, ferne erinnerungen, fieberträume. so radikal wie
in benedikt von peters inszenierung für die staatsoper hannover, die er jetzt
als intendant nach luzern übernommen hat, so radikal und so tief anrührend hat man
diese oper noch nie gesehen. phänomenal gestaltet die amerikanische sopranistin
nicole chevalier die rolle als rauschhaft erregten taumel zum tod. umgeben und
immer wieder neu verführt von den requisiten ihres lebens – champagnergläser, luftschlangen,
maquillage, die berühmte kamelie – keimt ihre sehnsucht nach echter liebe noch
einmal auf, die sich mit alfredo zu erfüllen schien und dann durch dessen vater
brutal gekappt wurde. zu verdis melodien, die clemens heil wunderbar warm und
weich dirigiert und die immer irgendwo auch hoffnung auf ein besseres leben
durchscheinen lassen, steigern sich ihre seelenqualen, sie irrt – brillant in
allen stimmlichen schattierungen – wie eine wahnsinnige durch erlebtes und
ersehntes, mal ruht sie, mal rast sie, nie kann sie sich diesem schlachtfeld
der gedanken und gefühle entziehen. diese frau verzehrt sich für ihre utopie, erst
der tod bringt ihr licht und erlösung. das sichtlich bewegte publikum bedankt
sich bei der darstellerin, was in luzern ausgesprochen selten vorkommt, mit
einer standing ovation. dieser monolog in der wüste von paris wird lange
nachklingen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen