Montag, 3. April 2017

MÜNCHEN: ARIADNE AUF NAXOS

„völlig verstört torkeln tragik und komik durcheinander. ‚ariadne auf naxos‘ kann man nicht erklären – man kann sie nur vermeiden!“ so schrieb wolfgang körner 1985 bitterbös in „der einzig wahre opernführer“. er hat die inszenierung von robert carsen an der bayerischen staatsoper nicht gesehen, der das chaos ordnet und mit ausgeprägtem sinn für theatereffekte präzis das freilegt, was richard strauss und hugo von hofmannsthal mit ihrer „ariadne“ 1916 schufen: eine ebenso beschwingte wie tiefgründige studie über kunst und künstler, über liebe und leben, über traum und wirklichkeit. die bühne ist im ersten teil (vorspiel im palais des reichsten wieners) ein nüchterner ballettsaal, im zweiten teil (oper auf der „wüsten insel“ naxos) ein weiter leerer schwarzer raum: carsen mag dieses theater im theater, ermöglicht lust- und liebevoll blicke hinter die kulissen – und vor allem stellt er durch den konsequenten verzicht auf allen dekorativen bombast immer, immer die menschen und die musik ins zentrum. eine musik, die seria und buffa geradezu kammermusikalisch verwebt und von kirill petrenkos junger assistentin oksana lyniv mit phänomenaler zartheit dirigiert wird. und es ist schlicht hinreissend, wie die von theseus verlassene ariadne (karita mattila als stimmgewaltige tragödin), die italienische komödiantin zerbinetta (jane archibald mit grandios verspielten koloraturen) und der komponist (tara erraught, in ihrer verletzlichkeit berührend) über festklammern und loslassen – in der kunst, in der liebe – sinnen und singen, sich allein und gemeinsam den themen treue und vergänglichkeit immer wieder neu nähern und schliesslich darin kulminieren, dass verlust befreit. glücksmomente. „der einzig wahre opernführer“ muss dringend überarbeitet werden.

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