ganz
hinten im ausstellungsraum des münchner literaturhauses schneit es.
ununterbrochen. es schneit über mehrere lagen von gazevorhängen. video-flocken.
dazwischen kurz bilder von tief verschneiten bäumen, meterhohe schneeverwehungen,
alles nur weiss, weiss, blendend weiss und dann wieder weg, dann schneit es
einfach wieder, ununterbrochen, kein weg ist auszumachen und kein ziel. diese
installation ist der höhepunkt einer ausstellung über thomas manns
„zauberberg“: hans castorps verirrung und verwirrung im schnee, die mann auf
über 40 seiten ausbreitet, wird hier zur sinnlichen erfahrung. seine wanderung
zwischen romantischer todesfaszination und lebenswille beendet unsere wanderung
durch drei salons, die die atmosphäre der luftkurhäuser atmen und die
entstehung des gigantischen davos-epos lustvoll erläutern. hier entdeckt man,
dass die kompletten gästelisten der kompletten davoser hotellerie regelmässig
publiziert wurden (diskretion? datenschutz?). hier erfährt man, wie pikiert
gerhart hauptmann reagierte, als er gewahr wurde, dass seine sämtlichen
schlechten züge für den mynheer peeperkorn modell standen. hier hört man thomas
mann über die melodien sinnieren, die das grammophon im roman wieder und wieder
spielt. hier stellt man mit staunen fest, dass der autor über die tuberkulose
ganze abschnitte aus fachbüchern übernahm (heute würde der „zauberberg“ wohl hinter
einer plagiatsaffäre entschwinden). man verlässt dieses bijou von ausstellung
beschwingt und bereichert und – weil sie aus versteckten lautsprechern
permanent behüstelt wird – doch auch ein wenig krank und reif für davos.
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