Sonntag, 25. Oktober 2015

MÜNCHEN: MEFISTOFELE

ausgelassene jahrmarktstimmung, singen und tanzen auf bänken und tischen. doch dann: ein feuerball, ein knall, die menschen liegen regungslos auf und neben den tischen. in den sesseln des karussels im hintergrund baumeln jetzt leichen. mefistofele bahnt sich einen weg durch diese trümmerlandschaft, nähert sich faust und seinem gefährten mit einem oktoberfest-lebkuchenherz: i mog di. die elysischen chöre knattern nur noch vom alten grammophon, das göttliche reich eine vision aus der vergangenheit, der himmel flimmert als schwarz-weiss-reminiszenz über die leinwand. willkommen in der hölle. i mog di, faust. rené pape mit seinem einerseits weich schmeichelnden, anderseits abgrundtief diabolischen bass zieht als mefistofele alle register des üblen menschenverführers und joseph calleja mit seinem strahlenden tenor ist kein naiver verdammter, sondern ein verzweifelt suchender. mit dieser traumbesetzung der beiden hauptrollen (die frauen um kristine opolais können nicht mithalten) inszeniert roland schwab arrigo boitos "mefistofele" von 1868 an der bayerischen staatsoper als apokalyptisches musical, deftig und doch differenziert. und omer meir wellber dirigiert das staatsorchester ebenso präzis wie lustvoll durch die hölle, die feger temporeich, die weniger ausgegorenen melodien der partitur geradezu quälerisch langsam auskostend. boitos werk wird hier ausgesprochen ernst genommen: es ist bei allem vordergründig-furiosen spektakel eine bildintensive meditation über die hölle in uns allen. so landet faust im vierten akt nicht im sonnentrunkenen griechenland, sondern unter papierschiffchen faltenden dementen im altersasyl. ihr, die ihr hier eintretet, lasst alle hoffnung fahren.

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