ausgelassene
jahrmarktstimmung, singen und tanzen auf bänken und tischen. doch dann: ein
feuerball, ein knall, die menschen liegen regungslos auf und neben den tischen.
in den sesseln des karussels im hintergrund baumeln jetzt leichen. mefistofele
bahnt sich einen weg durch diese trümmerlandschaft, nähert sich faust und
seinem gefährten mit einem oktoberfest-lebkuchenherz: i mog di. die elysischen
chöre knattern nur noch vom alten grammophon, das göttliche reich eine vision
aus der vergangenheit, der himmel flimmert als schwarz-weiss-reminiszenz über die
leinwand. willkommen in der hölle. i mog di, faust. rené pape mit seinem
einerseits weich schmeichelnden, anderseits abgrundtief diabolischen bass zieht
als mefistofele alle register des üblen menschenverführers und joseph calleja
mit seinem strahlenden tenor ist kein naiver verdammter, sondern ein
verzweifelt suchender. mit dieser traumbesetzung der beiden hauptrollen (die
frauen um kristine opolais können nicht mithalten) inszeniert roland schwab
arrigo boitos "mefistofele" von 1868 an der bayerischen staatsoper
als apokalyptisches musical, deftig und doch differenziert. und omer meir
wellber dirigiert das staatsorchester ebenso präzis wie lustvoll durch die
hölle, die feger temporeich, die weniger ausgegorenen melodien der partitur
geradezu quälerisch langsam auskostend. boitos werk wird hier ausgesprochen
ernst genommen: es ist bei allem vordergründig-furiosen spektakel eine
bildintensive meditation über die hölle in uns allen. so landet faust im
vierten akt nicht im sonnentrunkenen griechenland, sondern unter
papierschiffchen faltenden dementen im altersasyl. ihr, die ihr hier eintretet,
lasst alle hoffnung fahren.
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