albrecht,
ein junger herzog, und giselle, ein mädchen vom land, verlieben sich, etwas
läuft schief, sie zerbricht, stirbt und landet, im zweiten akt, bei den
geistern der unglücklichen jungfrauen. oh gott oh gott, so was geht natürlich
gar nicht mehr. allerdings hat adolphe adam dazu 1841 die allersüffigste
ballettmusik komponiert, den romantischen tanzklassiker schlechthin, marzipan
für die ohren. irgendwie ist „giselle“ also doch pflichtstoff für die
tanztheater dieser welt. der spanische choreograf gustavo ramirez sansano zieht
sich aus der affäre, indem er am luzerner theater zur romantischen tonspur
(das sinfonieorchester unter boris schäfer in bestlaune) völlig neue bilder
erfindet: giselle als junge journalistin (rachel lawrence), albrecht als ihr chefredaktor
(anton rosenberg), der alltag im verlagshaus der 60er-jahre ein unerschöpfliches
slapstick-gewusel. unglaublich wendige körper versuchen sich aus den
gesellschaftlichen konventionen freizustrampeln. viel bewegung, viel tempo, viel
witz, eine wonne. überraschende bilanz zur pause: funktioniert erstaunlich gut,
diese kombination von romantischen ohrwürmern und neuzeitlichem büroleben. und
dann haut ramirez sansano noch einen drauf, was keinen zweifel daran lässt,
dass er sowohl katholisch sozialisiert wie auch katholisch traumatisiert wurde:
die unglücklichen jungfrauen des zweiten aktes mutieren bei ihm – almodóvar lässt
grüssen – zu einem wildgewordenen haufen mehrheitlich männlicher klosterfrauen,
beinespreizend und bösartig, gierig und diabolisch den prior umgarnend, ein
nonnenballett der anderen art. kein wunder, dass giselle in diesem kloster
bleiben will und ihren vitaminarmen chefredaktor ziehen lässt. gehobener klamauk
statt originaler kitsch, lautet die devise. das luzerner theater leistet sich
damit ein echt perlendes spässchen.
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