der
zehnjährige luca steigt zu beginn auf den apennin, im theater neumarkt ein
kleiner steinhaufen in der mitte, der nord- und süditalien trennt, und erzählt anrührend,
wie die älteren brüder den vater im meer bestattet haben. es braucht nur diese
paar wenigen italienischen sätze und man ist schon mittendrin in der
trostlosigkeit (und der schwarz-weiss-ästhetik) der frühen sechziger jahre, als
die verarmten familien aus dem süden zu tausenden nach mailand zogen. mit „rocco
e i suoi fratelli“ hat ihnen luchino visconti ein geradezu dokumentarisches
denkmal gesetzt. und peter kastenmüller eröffnet mit dieser geschichte jetzt
seine intendanz am zürcher neumarkt, weil ihn das thema migration interessiert
und dabei die ankunft am neuen ort mehr als der abschied vom alten. er
verdichtet das epos auf eineinhalb stunden, schafft tempo mit einer
schienenkarre, die quer durch den raum rattert, und ruhe mit dezenten
videoeinspielungen, wechselt rasant die perspektiven vom erzählen zum spielen
und zurück, verkürzt massiv und gibt den figuren trotzdem scharfe und
unverwechselbare konturen. nein, diesen fünf brüdern geht es nicht um träume und
utopien, sondern um die nackte existenz. die einen versuchen es mit boxen, die
anderen strampeln nur und straucheln. das leben als kampf, als fortwährende
versuchung, als tödliche rivalität. theater ist immer live, deshalb entwickelt
dieses drama, das fürs kino geschrieben wurde, in diesem kleinen raum einen
enormen sog, durch die bewegung, durch die nähe, durch die präsenz dieser
jungen schauspieler. ein ausgesprochen kraftvoller zürcher einstand für
kastenmüller und sein ensemble.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen