giuseppe
verdis „nabucco“ ist eine oper über kollektive und individuelle heimatsuche und
heimatverlust und – eine choroper. stuttgart hat einen hervorragenden und
vielgerühmten opernchor. eine steilvorlage also für den erst 29jährigen österreichischen
regisseur rudolf frey. und wie er sie genutzt hat! zu „va pensiero“, dem chor
der gefangenen hebräer, stellt er die 80 sängerinnen und sänger vor 80 schwarze
stühle. eine statische graue masse. doch mit der melodie, dem musik gewordenen
durst nach freiheit, entwickeln sich aus dieser masse 80 individuen. jedes
einzelne hat seine not, jedes einzelne hat seine hoffnung, die stühle werden zu
bewegten metaphern: einer nimmt ihn als schutzschild, einer packt ihn sich als
waffe, eine sieht darin ihren geliebten, eine hält ihren stuhl mit verzweiflung
hoch, einer den seinen mit einem leuchten in den augen. schlichte, ergreifende
schicksale. man hat diesen gefangenenchor schon oft berührend gehört, so
gesehen hat man ihn noch nie. dank solcher detailarbeit mit jedem einzelnen
gelingt rudolf frey eine über weite strecken überzeugende deutung, zeitlos und weit
entfernt von den überladenen arena-produktionen dieses werks. einzig die
englische sopranistin catherine foster als nabuccos rivalisierende stieftochter
abigaille macht auf diva und deckt das differenzierte ensemble mit dröhnender
stimme zu; eine – das wort ist hier leider naheliegend – rampensau, die in dieser
nuancenreichen inszenierung fehl am platz ist.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen