Mittwoch, 18. Juli 2018
MÜNCHEN: JULIET & ROMEO
zwei
offene gräber. eines für julia. eines für romeo. beide sind sie tot. zwei
seiten später ist shakespeares tragödie zu ende und die verfeindeten familien
der capulets und montagues sind versöhnt. so schnell geht das. kann nicht sein,
sagte sich der amerikanische choreograf trajal harrell und widmet der zeitspanne
zwischen liebestod und aussöhnung einen tanzabend. einen abend, der der trauer
und verzweiflung zeit und raum gibt. zwei offene gräber, übergross, bilden das
zentrum der bühne in den münchner kammerspielen. trajal harrell schreitet sie,
schwarzgewandet als amme julias, immer und immer wieder ab und orchestriert diesen
abschied, die erinnerung, die zuwendung. sieben tänzer und schauspieler – wie bei
shakespeare ausschliesslich männer – teilen sich die rollen, spielen mit
motiven und textfetzen aus dem original, improvisieren mit kostümen und stoffen.
ihre bewegungen sind inspiriert vom voguing, mit dem die schwule subkultur new
yorks einst die fashionshows persiflierte, und dem japanischen butoh-tanz. es
ist ein endloser kampf um das verlorene leben, um die verlorenen menschen, von
grosser kraft und ernsthaftigkeit, ein totentanz ohne trost. „die liebe ist ein
rauch aus ooh und jeh, ein feuer, das uns frisst, und eine see aus unsren
eignen tränen, die uns schluckt.“ am ende sitzen und liegen sie alle an den
offenen gräbern, lebendig oder tot, und die amme singt und tanzt eine
herzzerreissende todesklage. die ganze atmosphäre ist von trauer durchtränkt,
schwer und leicht zugleich. man kann sich dieser emotionalen überdosis nicht
entziehen. und wenn die tänzer beim applaus dann durch die reihen gehen und
sich bei den zuschauerinnen und zuschauern quasi einzeln verneigen und
verabschieden, ist man ihnen dankbar für dieses intensive todesritual,
mitgenommen und erlöst.
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