links
vor der bühne der münchner kammerspiele stehen zwei hässliche polstersessel aus
strindbergs zeiten, oben ein hässliches billigsofa von ikea, damit schon mal
klar ist: hier wird das gestern auf das heute losgelassen und das heute auf das
gestern. und damit schon mal klar ist: gemütlich geht anders. august strindberg
zeichnet in „der vater“ (1887) eine frau, die aus verzweiflung über ihre
ohnmacht ihren mann mit einer intrige erst in den wahnsinn und dann in den tod
treibt, ein stück gegen die sich emanzipierenden frauen. julia riedler und
daniel lommatzsch schenken sich gar nichts, ehehölle total und vernichtungskampf
wie bei ingmar bergman. mit einem allerdings wesentlichen unterschied:
regisseur nicolas stemann lässt die beiden immer wieder aus der rolle kippen,
lässt sie szenen wiederholen und rollen tauschen, er spricht dann ihren text,
sie seinen. so löst sich die inszenierung von der reaktionären vorlage und
ihren klischees und stellt machtmissbrauch und geschlechtergerechtigkeit ins
zentrum. inmitten von acht giftgrünen stehlampen, die sich mal phallisch
aufrichten und mal wieder schlapp machen, gelingt stemann eine stimmige, oft auch
witzige analyse nicht der herrschenden verhältnisse, sondern der herrschenden
unsicherheiten. auch das publikum wird verunsichert, wenn da plötzlich ein
ziemlich dumpfer männerchor das wohnzimmer überfällt und ballermann-hits
schmettert. wie der gender-diskurs und die rollenklärung viele überfordert,
wird schliesslich verdichtet und zugespitzt in einem grossartigen solo von wiebke
puls, die den vater, die mutter und das kind in personalunion spricht, sich
nach da und dort verzehrt und verzerrt und die zwangsjacke, die strindberg dem
vater anziehen lässt, gleich selber überstreift: alle mitgehangen. tatsächlich „das
stück zur stunde“, wie stemann sagt. das ende des patriarchats, ja, aber
ausgang offen.
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